Karl Zuber – Gemeindebau unter Verfolgung
Auszug eines Berichtes des sowjetischen Innenministeriums: „Im Sommer 1956 taufte ein aus Kasachstan ins Dorf Zameletenovka (Gebiet Omsk) angereister Prediger ca. 100 Personen. Das Gebiet Omsk grenzt an Kasachstan, wo auch eine große Anzahl von deportierten Deutschen lebte. Ab 1956 kam es zum ständigen Predigeraustausch. 1956 und 1957 sind einige Male in das Gebiet Omsk die Prediger Herman Schlack und Karl Zuber angereist.”
Gefangenschaft, Verfolgung und weitere Schwierigkeiten konnten Karl Zuber nicht zurückhalten, Gottes Gemeinde in Perwomajka wieder aufzubauen. Seinen gesegneten Dienst, erlebte nicht nur die Gemeinde vor Ort, sondern auch außenstehenden Leute im Gebiet Omsk selbst. Zuletzt nahm auch die sowjetische Behörde von dieser Auswirkung Notiz und fertigte einen entsprechenden Bericht.
Der erste Kontakt mit der Pfingstbotschaft
Karl Zuber wurde 1898 in Gorščik geboren. Er wurde christlich erzogen und war zwölf Jahre lang Mitglied in einer Baptistengemeinde. In den zwanziger Jahren wurde in seinem Dorf die Pfingstbotschaft durch Hermann Schulz gepredigt, der auch damals zur Baptistengemeinde gehörte. Aufgrund der Ablehnung der Geistestaufe teilte sich jedoch die Gemeinde und Karl Zuber blieb bei den Baptisten. 1936 wurde er mit allen deutschen und polnischen Einwohnern zwangsweise nach Perwomajka umgesiedelt, wo er von nun an in der Kolchose als Schmied arbeitete. 1948 kam es in seiner neuen Heimat zu einer Erweckung durch Hermann Schlack und viele Jugendliche bekehrten sich und taten Buße. Doch Karl Zuber war eigentlich nicht mit der Pfingstbotschaft über die Geistestaufe einverstanden, er störte sich daran. Trotzdem nahm er an den Gottesdiensten aktiv teil. Er kämpfte mit dem Gedanken, ob das wirklich von Gott sein kann und forschte eifrig in der Bibel danach. Einmal, als er wieder eine Bibelstelle über den Heiligen Geist las, begannen die Buchstaben „Geist“ in seine Augen groß zu werden und sich zu bewegen. Langsam gab er seinen Widerstand auf. Er besuchte die heimlich abgehaltenen Gottesdienste, betete um die Geistestaufe, spürte die Kraft Gottes, wurde aber nicht getauft.
Kraft von oben
Anfangs der 50er-Jahre kam es zu einer Verhaftungswelle über die Christen in der ganzen UdSSR. Auch in Perwomajka wurden am 19. Juni 1952 vier Prediger der Gemeinde verhaftet, darunter Karl Zuber. Am 29. Juli 1952 wurden alle verurteilt und bekamen die gleiche Strafe – 25 Jahre Arbeitserziehungslager. Doch Karl Zuber hörte eine Stimme, die ihm zusicherte: „Hab keine Angst, du bist errettet.“ Im Gericht äußerte er sich klar und unmissverständlich: „Ihr verurteilt mich zu 25 Jahren Haft, aber ich werde nicht so lange sitzen.“ Als im März 1953 der Diktator Stalin starb, wurden viele politische als auch für ihren Glauben verurteilte Häftlinge freigelassen. So war es auch bei Karl. Mit 56 Jahren kam er nach 25 Monaten anstatt 25 Jahren aus der Lagerhaft frei.

In Lagerhaft kam es bei Karl zu einer entscheidenden Kehrtwende. Er hatte Bekanntschaft mit pfingstlichen Predigern geschlossen und war in ständiger Gemeinschaft mit ihnen. Als einer der Brüder ihn direkt fragte: „Bist du geistgetauft?“ antwortete er mit „Ja“. Doch die Brüder erwiderten ihm: „Ты только приближённый, но ещё не крещённый.“ – Du bist zwar nah dran, aber noch nicht geistgetauft“. Eines Tages betete er in der Nähe von Baracken mit einem jungen ukrainischen Mädchen. Während des Gebets wurde ihm durch diese Schwester in deutscher Sprache sehr deutlich gesagt: „Hast du von ganzem Herzen vergeben?“. Er wusste, um was es ging, denn er lag mit einem Bruder im Streit. Er ging davon und weinte bitterlich. Ein Pfingstbruder begegnete ihm und sagte: „Bruder Karl, weine nicht, morgen um neun Uhr wird Gott dich mit dem Heiligen Geist taufen.“ Und so geschah es auch.
Berufen, um seine Gemeinde zu bauen
Als Karl aus der Lagerhaft zurückkam, befand sich die Gemeinde in einem sehr traurigen Zustand. Die Gottesdienste fanden, aus Angst sich zu versammeln, nicht statt. Und so begann Karl, die Reste der Gläubigen wieder zu versammeln, obwohl es sehr gefährlich war. Er besuchte viele zu Hause, betete, führte Gespräche und ermutigte die Christen. Karl selbst sagte immer wieder: „Gott hat es mir aufs Herz gelegt, die Gemeinde aufzubauen.“ Die Gottesdienste wurden gefeiert und die Gemeinde fing erneut an, zahlenmäßig zu wachsen. Allerding war es kein leichtes Gemeindeleben. Zum Beispiel gab es kein Wein für das Abendmahl. Als Notlösung nahm man den Saft von Roter Bete. Für die Fußwaschung gingen die Mitglieder mit Schüsseln zum Fluss. Wassertaufen wurden nachts unter größter Geheimhaltung durchgeführt. Die Gemeinde wurde verfolgt. Mitglieder wurden auf ihrer Arbeit schikaniert, ihre Kinder in den Schulen. Viele Prediger wurden regelmäßig mit Geldstrafen belegt wegen der unerlaubten Durchführung von Gottesdiensten.
Doch etwas konnte man den Christen nicht verbieten – eine christliche Beerdigung öffentlich abzuhalten. Hierzu kam fast das ganze Dorf zusammen, Gläubige und Ungläubige. Diese Möglichkeit wurde genutzt, um Gottes Wort zu verkündigen und Lieder zu singen.
1956 bekam Karl Zuber von Gott eine Offenbarung, ins Gebiet Omsk zu fahren und dort zwölf Dörfer zu besuchen. Sogar die direkte Adresse wurde ihm gesagt. Er fuhr dorthin und predigte unter vielen lutherischen Russlanddeutschen, betete mit ihnen um die Geistestaufe und taufte sie anschließend im Wasser. Durch seine Gebete wurden auch viele Menschen geheilt. Einmal kam ein Mann mit einer verdorrten Hand ins Omsk-Gebiet. Ihm wurde empfohlen, zu Karl zu gehen. Obwohl die Männer wegen der Heuernte schwer arbeiten mussten, entschieden sie sich dafür, einen Tag lang dafür zu beten und zu fasten. Nach dem Gebet erfuhr der Mann keine Heilung und fuhr zurück. Nach einiger Zeit kam er wieder, hob seine Hand und sagte zu Bruder Hermann Schulz (junior): „Bruder Hermann, schau, Gott hat ein Wunder getan.“
Kurz bevor Karl starb, machte er sich Gedanken darüber, an wem er die Gemeinde übergeben sollte. Eines Nachts sah er einen Traum, dass Hermann Schulz (junior) die Gemeinde übernehmen sollte und so wurde er dazu eingesegnet. 1982 starb Karl Zuber im Alter von 88 Jahren und hinterließ einen Sohn und eine Tochter.
Lernen von einem hingegebenen Menschen
Von Karl Zuber kann man lernen, wie wichtig es ist, zu vergeben und wirklich nach Gottes Willen zu fragen. Wenn man ernsthaft nach der Wahrheit sucht, wird Gott sie einem offenbaren. Außerdem ist es bemerkenswert, wie stark Karl die Gemeinschaft mit anderen Heiligen und Gott suchte. Sogar in Verfolgung besuchte er die Gottesdienste und führte sie später selbst durch, als es keine gab. Daran können und sollten wir uns ein Beispiel nehmen, denn wie oft vernachlässigen wir die Gottesdienste, obwohl wir so viele Möglichkeiten dazu haben.