1. Du bist, was du hörst

Was soll der Streit?


„Was soll die ganze Aufregung?! Warum kann nicht einfach jeder hören, was er möchte?“ – möglicherweise gingen Dir solche Gedanken durch den Kopf, wenn Du wieder einmal eine Auseinandersetzung zum Thema christliche Musik mitbekommen hast. Vielleicht spielte da gerade jemand den „christlichen Rap-Song“ ab, der auf der Beerdigung eines jungen Menschen vorgetragen wurde; der Verstorbene war schließlich medienwirksam als Christ bekannt. Und schon hast Du den tiefen Meinungsgraben erblickt, der beim Thema Musik zwischen so manchen Jugendlichen und der älteren Generation verläuft.


Ja, warum eigentlich sollte nicht jeder einfach das hören können, was er möchte? Kann denn Musik wirklich Sünde sein? Mal eine andere Frage: Kann Lesen Sünde sein? Ganz normales Bücherlesen … „Kommt auf den Inhalt an …“, wirst Du mir jetzt vermutlich antworten und damit recht haben. Wir können nicht einfach sagen, jeder solle lesen, was ihm gefällt. Dasselbe gilt auch für Musik. Jetzt wirst Du womöglich einwenden: „Aber ich höre doch christliche Musik! Der Text ist christlich!“ Ist es tatsächlich so, dass allein der Text ein Lied oder Musikstück christlich macht? Sind Klänge, Töne, die ganze „eigentliche Musik“ tatsächlich völlig wertneutral?


Der Ton macht die Musik


Musik ist eine Sprache und übermittelt eben auch nicht wertneutrale Botschaften. Sie unterscheidet sich jedoch von normaler Sprache in der Art, wie sie Inhalte transportiert: Mit Sprache wenden wir uns an den Verstand des Gegenübers und übermitteln eine Bedeutung, einen Sinn. Auch wenn wir eine Änderung des Verhaltens, der Einstellung oder des Mitgefühls erreichen wollen, geschieht dies doch immer über den Umweg des Verstands. (Das erklärt übrigens die Schwierigkeit, einem Mitmenschen das eigene Fühlen zu vermitteln, der diese Gefühle noch nie erlebt hat.) Musik hingegen wendet sich hauptsächlich direkt an „das Herz“, an die Gefühle des Menschen, ohne Umweg über den Verstand. Musik vermittelt Emotionen und
Stimmungen.
Dabei kann Musik sogar die Bedeutung des Textes beeinflussen. Wir alle kennen das, da ruft die Mutter ihren Sohn: „Thomas …“ Was bedeutet der Ausruf? Es kommt auf den Tonfall an; es kann eine Verwunderung sein („Thomas??“ Du hier?), ein Hilferuf („Thomaaas!!!“ Komm schnell …), ein Vorwurf („Thooomas!“
Das kann doch nicht wahr sein!) und noch vieles mehr. In den allermeisten Fällen wird Thomas trotz gleichen Textes die Botschaft unterschiedlich auffassen, und zwar im Sinne der Absenderin.
Aus diesem Grund reicht ein guter Text bei Weitem nicht aus, um ein Lied christlich zu machen. Der ehemalige Leiter unserer Bruderschaft, Bruder Jakob Wiebe, pflegte in diesem Zusammenhang zu sagen: „Der Ton macht die Musik!“ Musik verändert die Botschaft, indem sie den Text in bestimmte Emotionen hüllt und diese können geistlich oder weltlich sein.
Musik beeinflusst, wie wir Gottes Stimme hören
Die Bibel zeigt uns mehrere Beispiele, in denen Musik die Gefühle der Menschen beeinflusst und sogar geholfen hat, Gottes Gegenwart zu suchen. Nun könnte man im Falle Sauls (1. Sam. 16) argumentieren, er sei schon zu weit von Gott abgeirrt und brauchte deshalb ein seelisches Beruhigungsmittel. Umso erstaunlicher ist es, dass der heilige Mann Gottes und Prophet Elisa in seinem Unmut nicht anfängt zu beten oder die
Schrift zu lesen, sondern einen Musiker bestellt (2. Kön. 3)! Ihm war klar, dass er in seinem Unmut nicht in Gottes Gegenwart treten konnte, und außerdem war ihm scheinbar bekannt, dass Musik seinen Gefühlszustand sehr rasch wieder ändern kann. Elisa kam durch Musik in die Lage, sich auf das Gebet richtig vorzubereiten.

Wenn wir Gottes Stimme hören wollen, müssen wir mit der richtigen Herzenshaltung hören. In Ps. 25,9 heißt es über Gott „Er leitet die Sanftmütigen im Recht und lehrt die Sanftmütigen seinen Weg“ (ELB). Natürlich möchte Gott, dass alle Menschen gerettet werden. Trotzdem wirken Seine Lehre und Leitung nur in sanftmütigen Herzen. Wir müssen stille sein und brauchen Frieden im Herzen (Hebr. 12,14), d.h. einen passenden Gefühls- und Gemütszustand. Elisa verstand das. Und benutzte aus genau diesem Grund Musik.
Uns muss bewusst sein, dass die Musik in erster Linie kein geistliches, sondern ein seelisches Werkzeug ist, weil es zu unserer Seele spricht. Allerdings ist die Seele das Tor zu unserem Geist (vgl. Spr. 4,23; im AT verwendet die Bibel „Herz“ synonym zu Seele; erst im NT wird genauer zwischen Seele und Geist unterschieden). Und wenn das Tor versperrt, benebelt oder überflutet ist von ungeeigneten Emotionen, kann Gottes Reden möglicherweise nur sehr schwer oder gar nicht zu unserem Geist durchdringen! Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, weshalb mittlerweile sogar (für unsere Begriffe) liberale Theologen davor warnen, dass eine ganze Generation tiefgläubiger Jugendlicher ihren Glauben mehr auf christliche Lobpreismusik gründet als auf Gebet, Predigten und Bibellese (Faix u. Künkler, „Generation Lobpreis Studienergebnisse über hochreligiöse Jugendliche“, 2018). Selbst das persönliche Gebet funktioniert für viele nicht mehr ohne Worship-Musik!


Aber wenn wir uns dem Einfluss der Musik stärker und öfter aussetzen als dem Einfluss des Wortes Gottes, wie können wir überhaupt noch sicher sein, dass wir die Botschaft des Evangeliums unverfälscht und klar, mit ungefärbtem Glauben (vgl. 1. Tim. 1,5 LUT12; 2. Tim. 2,15 NeÜ oder NGÜ) wahrnehmen können? Die Musik beeinflusst unser Gottesbild! Die Gefühle und Gesinnungen der täglich konsumierten Musik setzen uns einen Filter, eine „Brille“ auf die geistlichen Augen. Das funktioniert selbst dann, wenn man Musik gar nicht bewusst wahrnimmt, sondern im Hintergrund hört. Dann können wir noch so gute Predigten hören und werden sie trotzdem verkehrt auffassen und anwenden.

Musik zur Ehre Gottes
Biblisch betrachtet ist Musik ein Bestandteil der großen Schöpfung Gottes. Er hat es eingerichtet, dass wir hören können und das Gehörte nach angenehm und unangenehm unterscheiden. Er hat die Regeln der Musik „erfunden“ nach denen Miss- und Wohlklang entstehen. Menschen haben diese Regeln lediglich entdeckt, genauso wie z.B. die Naturgesetze und Regeln der Mathematik. Wie jede Schöpfung lässt sich Musik sowohl sinnvoll gebrauchen als auch missbrauchen, zu Gottes Ehre verwenden wie auch zur Sünde.
Wie mit unserem ganzen Leben sollen wir auch in der Musik Gott ehren. Er erwartet von uns Opfer des Lobes (Hebr. 13,15). Diese Opfer sind jedoch nicht bloße Lippenbekenntnisse und der Schall aus unserem Mund, sondern sollen das Ergebnis unserer Herzenseinstellung sein. Gott ist weder darauf angewiesen, von uns dauernd gelobt zu werden (Ps. 50,8-10) noch benötigt Er unsere Musik; die Engel im Himmel können Ihn sicher würdiger loben als wir. Deshalb nützte es auch nichts, z.B. einen CD-Player Tag und Nacht in einem
menschenleeren Raum zum Lobe Gottes schöne Lieder spielen zu lassen; das würde Gottes Ehre nicht größer machen. Was Gott wirklich ehrt ist, wenn wir uns abhängig machen von Ihm und dankbare Herzen haben (Ps. 50,14-15:). Auch gute Musik, auch mit Worten, ist nicht imstande, Gott anzubeten; das können nur menschliche Herzen. Musik kann aber gewiss eine sehr gute Hilfe in der Anbetung Gottes sein, indem sie unsere Gedanken und Gefühle darauf konzentriert.
Weil Musik so einflussreich ist, ist es so wichtig, unsere Musik bewusst auszuwählen! Wir werden uns in dieser Ausgabe noch damit beschäftigen, was wahre Anbetung bedeutet und welche geistlichen Ziele wir mit Musik verfolgen sollten. Die Meinungsverschiedenheiten über christliche Musik sind nämlich gar nicht im Geschmack oder in unterschiedlicher Bewertung der Wirkungen begründet, wie ich stets immer wieder in
Gesprächen mit sehr verschiedenen Personen feststelle. Der Streit um christliche Musik ist im Grunde genommen ein Streit darum, welche Gefühle christlich sind und welche nicht!
Natürlich sind wir nicht willenlose Knechte unserer jeweiligen Gefühlslage. An mehreren Stellen zeigt uns die Bibel, dass wir Gefühle „anziehen“ können (Kol. 3,12), auf unser Denken Einfluss nehmen können (Röm. 12,2) und uns mit einer bestimmten Gesinnung ganz zielgerichtet wappnen bzw. umgürten sollen (1. Petr. 1,13 + 4,1-2). Auch die Musik können wir für eine geistliche Gesinnung verwenden.


Du bist, was du hörst!


Lasst uns nicht wahllos jede „christliche“ Musik konsumieren. Eines meiner Kinder befindet sich gerade in dem Alter, alle Dinge mit dem Geschmackssinn zu erkunden. Manchmal kommt es von draußen herein mit beiden Backen voller Sand; meine Frau nennt es dann liebevoll „mein Erdmännchen“. Lasst uns doch umsichtig sein und nicht jede Musik ohne Prüfung „in den Mund nehmen“. Bevor Du, liebe Leserin, lieber Leser, das nächste Mal zum Kopfhörer greifst oder den Player lauter stellst, halte doch einmal kurz inne: Was willst du damit erreichen? Gleicht dein Musik-Konsum dem Griff in die bereitgestellte Tüte Chips, zu der man aus Gewohnheit greift, auch wenn man keinen Hunger hat, und obwohl
man weiß, dass es ungesund ist? Dann solltest du dich nicht wundern, wenn deine Musik dich geistlich schwächt und träge macht. Nicht jede Musik ist nur „ungesund“, manche auch schädlich, und manche macht auch abhängig. Deshalb sollte unser erster Schritt sein, Musik bewusst wahrzunehmen und nicht im Hintergrund zu hören! Zweitens sollten wir uns vor jedem Einschalten einer Musik ein Ziel setzen: Welche Gefühle und Gesinnungen möchte ich „anziehen“? Wohin soll mich die Musik treiben und wohin nicht? Dann kann man aufmerksam hören und die Wirkung der Musik auf sich prüfen. Und sollte sie eine unerwünschte sein, kann man sofort dagegen steuern. Lasst uns die Zeit auskaufen, die wir haben, und unsere Seele gesund ernähren, auch was unseren Musikkonsum betrifft. Denn das, was wir hören, prägt, wer wir sind.

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