Aufbauarbeit im Osten

Und der Herr sprach zu mir: “Ich war auch alleine und mein Vater hat mich nicht verlassen. Sei gewiss, ich bin mit dir.”

Dieses Erlebnis teilte mir einer meiner vielleicht größten Vorbilder mit. Nämlich ein Pastor aus einer kleinen Gemeinde im Osten Deutschlands. Wir waren mit einigen Jugendlichen wieder für ein Wochenende dorthin gereist, um gerade ihn und seine Gemeinde zu unterstützen. Auf dem Weg zum nächsten Gottesdienst in einem alten Opel Movano, begann er mir von seinen Schwierigkeiten im Dienst zu erzählen.

Als Einzelkämpfer auf sich alleine gestellt, immer auf Unterstützung angewiesen und die Not der Gemeinde tragend, war er oft der Verzweiflung nahe. Als er einmal wieder damit kämpfte, spürte er klar und deutlich wie Jesus ihm genau diese Worte sagte:

“Ich war auch alleine und mein Vater hat mich nicht verlassen. Sei gewiss, ich bin mit dir.”

Ziemlich gerührt von dem Erzählten teilte der Pastor mir mit, dass der Osten keine Helikoptermissionare braucht. Also Menschen, die nur für ein Wochenende kommen, dienen und wieder fahren. Was der Osten braucht, ist Aufbau.

Dieses Erlebnis bewegte mich tief. Oft dachte man, dass es ausreicht, ab und zu für ein Wochenende hinzufahren und zwei oder drei Gottesdienste durchzuführen. Fast automatisch, ohne es verhindern zu können, drängte sich folgende Frage in mir auf:

Wie ernst meinst du es mit deinem Dienst im Osten? Liegen dir die Gemeinden wirklich am Herzen oder sind es nur leere Worte?! Als ich darüber nachdachte, fasste ich den Entschluss, eine Woche lang mit einer kleinen Gruppe im Osten zu dienen. Das Ziel war, die Not in dieser Region wirklich verstehen zu können. Folgende Probleme zeigte uns der Herr in dieser Woche:

Schwierigkeit Nr. 1: Zu wenige Diener

Das größte Problem, welches im Osten Deutschlands herrscht, ist, dass es verhältnismäßig wenige Diener gibt. Es sind mehr Einzelkämpfer, die eine Gemeinde aufrechterhalten, als dass es eine geschlossene, einheitliche Gruppe von Gläubigen ist. Diese Personen zerreißen sich förmlich für Jesus und ihren Dienst. Sie gehen bis ans Äußerste und noch darüber hinaus. Oft leidet die Gesundheit darunter und auch die Familien stehen regelmäßig vor Zerreißproben.

Der Grund, warum so ein Mangel an Dienern herrscht, kann zum einen darauf zurückgeführt werden, dass der Osten wirtschaftlich schlecht aufgestellt ist. In den Jahren 2003 bis 2005 betrug die Arbeitslosigkeitsquote fast 20 %.[1] Ich kann mich noch gut an ein Zeugnis eines Ältesten aus der Region erinnern, der mir genau über diese Jahre folgendes berichtete:

“Gefühlt war jeder Vierte arbeitslos. Es gab kaum Arbeit und die Wirtschaft war einfach am Boden. Ich überlegte mit meiner Frau, ob wir nicht doch nach Speyer ziehen wollen. Die Situation und die Perspektive war dort um einiges besser. Also schrieb ich Bewerbungen und hoffte auf eine Zusage. Nachdem ich die Bewerbungen versandte, klappte auf einmal nichts mehr auf meiner Arbeit und in meinem Leben. Es war, als wäre der Segen genommen. Dies ging eine Zeitlang so, bis der Herr mir persönlich mitteilte, dass er mich genau an diesem Platz im Osten sehen möchte.”

Zum anderen sind viele Menschen im Osten atheistisch geprägt. Das heißt, sie glauben an gar nichts. Das hat den Hintergrund, dass bis zum Mauerfall 1989 dieser Teil Deutschlands kommunistisch geprägt war. Dazu kommt noch, dass dort der Rechtsextremismus stark verbreitet ist. So kam es bei den Kommunalwahlen (Wahlen, bei denen Bürgermeister der jeweiligen Stadt/Dorf gewählt werden) 2019 in manchen Städten wie Eisenach dazu, dass dort die NPD über 10 % der Wählerstimmen bekam.[2]  Evangelisation ist in diesen Teilen des Landes daher wirkliche Schwerstarbeit. All das hat zur Folge, dass es nur einen geringen Zuwachs an Neubekehrten gibt und nur wenige Christen bereit sind, dorthin zu ziehen.

Schwierigkeit Nr. 2: Weite Entfernungen zwischen den Gemeinden/Hauskreisen

Ein weiterer Problempunkt im Osten ist, dass die Entfernungen zwischen den Gemeinden durchschnittlich drei Stunden Fahrtzeit beträgt. Das wirkt sich vor allem auf die Jugend aus. Einen Austausch unter der Woche und am Wochenende zwischen verschiedenen Jugendlichen ist selten vorhanden. Deswegen sind viele junge Menschen auf sich alleine gestellt und oft niedergeschlagen.

Gerade diese Not bewegte mich persönlich am meisten. Jugendliche, die in Jesus Christus zu einer Einheit gehören sollten, aber doch so wenig miteinander zu tun haben wollen. Jugendstunden, in denen der Heilige Geist mächtig an den Herzen der Menschen arbeiten soll. Aber tatsächlich rufen die Predigten ein verhaltenes Desinteresse hervor.

Oft haben Pastoren alle Hände voll zu tun und können sich nicht in dem Maße der Jugend widmen, wie es eigentlich nötig ist.

Zu dieser Hürde kommt seit neuestem der Ukrainekrieg hinzu: Immer mehr gläubige Ukrainer sind durch den Krieg in den Osten von Deutschland geflüchtet. Das hat dazu geführt, dass neue Hauskreise entstanden sind, die geistliche Betreuung benötigen. Jedoch ist die Anzahl der Diener, die sie betreuen können, immer noch die Gleiche geblieben. Die Arbeit wächst, aber die Arbeiter bleiben aus. So lässt sich vielleicht die Situation im Osten am besten beschreiben.

Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass im Westen über 90 Gemeinden der BFECG vorhanden sind, im Osten dagegen nur bis zu 15. Eine Übersicht, wo genau die Gemeinden liegen, findest du hier. Die Karte steht im PDF-Format zum Download bereit.

Es ist ein Privileg, dem Herrn zu dienen!

Trotz der vielen Herausforderungen ist und bleibt der Dienst im Osten etwas Besonderes.

Bis zu 2.500 km durften wir innerhalb einer Woche zurücklegen, mehr als sechs Gemeinden/Hauskreise besuchen und circa zehn Gottesdienste durchführen. Manchmal sind wir für vier Seelen stundenlang quer durch den Osten gefahren, um miteinander zu beten und das Wort Gottes zu teilen. Ich würde sagen, jeder Kilometer hat sich gelohnt. Wir durften Gläubige kennenlernen, die bis zur Weißglut für den Herrn brannten und uns so viel mitgaben. Wir erlebten Gottesdienste, in welchen unerwartet der Heilige Geist eine ganze Gemeinde bewegte und zur persönlichen Erneuerung aufforderte. Wir traten mit Menschen in Kontakt, die wir vorher nie gesehen oder gesprochen hatten. Und gerade deswegen waren wir gezwungen, uns umso mehr auf die Leitung des Heiligen Geistes zu verlassen. Dadurch erfuhren wir, wie herrlich es ist, wenn man sich dem Heiligen Geist völlig hingibt.

Mir wurde aufs Neue bewusst, dass Jesus die gebraucht, die sich ihm zur Verfügung stellen. Man muss dafür nichts Besonderes können oder sein. Alles, was dafür nötig ist, ist ein Herz, das sich ganz Gott hingibt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert