SKIZZEN AUS DEM LEBEN VON ANTHONY NORRIS GROVES

„Das christliche Motto sollte sein: Arbeite hart, verbrauche wenig, gib viel – und alles für
Christus!“
Das sind Worte eines Mannes, von dem der Historiker Neatby schreibt:
„Groves’ schlichter Glaube, die Tiefe seiner Demut, die Energie und Reinheit seines Eifers, die
Entschiedenheit und Größe seines Charakters haben einen bleibenden Platz in der Geschichte
der Gemeinde Gottes.


10, 25, 100 %
A. N. Groves wurde 1795 in Newton, Hants, geboren. Schon als Junge war er der Meinung,
dass jeder überzeugte Christ eigentlich ein Missionar sein sollte. Nachdem er zum Glauben an
den Herrn Jesus gekommen war, fühlte er den dringenden Wunsch, mit seiner ganzen Zeit dem
Herrn als Missionar zu dienen. Seine blühende Zahnarztpraxis, die er bereits als 21-Jähriger in
Exeter besaß, sollte ihm dabei kein Hinderungsgrund sein. Doch seine junge Frau Mary konnte
sich für die Missionspläne ihres Mannes nicht begeistern. Sie war zwar religiös, fand aber erst
1825 zum lebendigen Glauben. Daher wies sie jeden Gedanken daran zurück, sodass Groves
von nun an schwieg und sein Anliegen Gott übergab.
Mary liebte ihr zurückgezogenes, angenehmes Leben und ihre beiden Kinder. Sie züchtete
Blumen und malte mit Hingabe Naturbilder, während ihr Mann neben seiner Zahnarztarbeit die
Bibel studierte. Mit dem wachsenden Wohlstand fasst Mary ein festes Ziel: Sie wollte den
Missionswunsch ihres Mannes ausmerzen. Sein Leben sollte Gott nicht als Missionar gehören.
Doch Gott benutzte sein Bibelstudium und einige Umstände im Leben seiner Frau, um ihnen
deutlich zu machen, dass sie 10 % ihres Einkommens den Armen geben sollten. Damit war
Mary inzwischen einverstanden.
Anthony besaß die Weisheit, dieses Geld nicht selbst zu verteilen, sondern es seiner Frau
anzuvertrauen. Mary lernte auf diese Weise die traurigen Lebensumstände armer und kranker
Menschen in ihrer Umgebung kennen. Diese Besuche veränderten ihre Lebenseinstellung.
Bald war sie auch bereit, auf den Vorschlag ihres Mannes einzugehen und nun 25 % ihres
Einkommens zu verteilen; und schließlich wurde beiden deutlich, dass sie ihren gesamten
Besitz und auch ihr Leben dem Herrn zur Verfügung stellen sollten. Sie schränkten ihren
Lebensstandard drastisch ein: Sie verschenkten überflüssige Kleidung und Gegenstände und
sparten kein Geld mehr, um mehr für das Werk des Herrn geben zu können.
In dieser Zeit hatte Mary auch durch den Besuch und den Kontakt zu einer sehr armen und
kranken, aber gottesfürchtigen Frau ihren eigenen sündigen Zustand erkannt. Nach längeren
geistlichen Kämpfen kam sie zum lebendigen Glauben an Jesus Christus und zur
Heilsgewissheit. Nun wurde Mary auch bereit, auf allen Besitz zu verzichten und ihrem Mann zu
folgen, wenn Gott ihn in die Außenmission rufen würde. Es hatte über zehn Jahre gedauert, bis
Mary von Herzen dazu bereit wurde.

Anthony schrieb zu diesem Zeitpunkt:
Als wir diese große Last des Besitzes erst einmal losgeworden waren, fühlten wir uns
anders als zuvor. Wir hatten nun kein anderes Ziel mehr im Leben, als für den Herrn und
seine Gemeinde zu leben.“


Sammelt nicht!
1825 veröffentlichte A. N. Groves eine Schrift. Darin begründete er biblisch seine Erkenntnisse
über völlige Hingabe an Gott und Vertrauen in seine Verheißungen – und zwar in allen
Lebensbereichen.Diese Broschüre trug den Titel „Christian Devotedness“ (Christliche Hingabe)
mit dem Untertitel:
„Die Betrachtung der Vorschrift unseres Heilandes: ›Sammelt euch nicht Schätze auf
dieser Erde.‹“
Dieses Buch wurde später unter dem Titel „Das Glück eines abhängigen Lebens“ in deutscher
Sprache veröffentlicht.
Da es damals üblich war, in Verbindung mit einer Missionsgesellschaft auszureisen, begann
Groves 1826 in Dublin mit dem Studium der Theologie, um die kirchliche Ordination zu
bekommen. Während der Quartalsexamina logierte er zeitweise bei J. G. Bellett und lernte in
seinem Haus auch J. N. Darby kennen. Im Hause Bellett wurde eifrig die Bibel studiert, und
1827 äußerte Groves Bellett gegenüber die damals revolutionäre Meinung,
„dass es schriftgemäß wäre, jeden Sonntag Brot zu brechen“, also das Abendmahl zu
feiern.
Inzwischen bekam Groves auch Zweifel, ob es im Sinne des Herrn war, für einen
missionarischen Dienst die kirchliche Ordination anzustreben. Zwei Tage vor der Ordination
erledigte sich die Frage von selbst. Ein Einbrecher stahl das Geld, das Groves sich für die
Reise zum Ort der Ordination zurückgelegt hatte.
Groves verzichtete nun auf jede Unterstützung von Kirche und Missionsgesellschaft und
verabschiedete sich 1828 von seinen Freunden in Dublin mit den Worten:
Ich zweifle nicht daran, dass dies die Gedanken Gottes in Bezug auf uns sind: Wir sollten
in aller Schlichtheit als Jünger Jesu zusammenkommen, nicht auf Kanzel oder Predigt
warten, sondern darauf vertrauen, dass der Herr uns miteinander erbauen wird, indem er
aus unserer Mitte heraus dienen lässt, wie es ihm gefällt und wie er es für gut hält.“


Frieden, der alles übersteigt
Wenige Monate später reiste Groves mit seiner Familie nach Bagdad, um dort für den Herrn zu
arbeiten. Zunächst widmete er sich dem Sprachstudium. Außerdem behandelte er Kranke, um
mit der Bevölkerung in Kontakt zu kommen, und gründete eine Schule. Doch schon im zweiten Jahr seines Dienstes wütete eine furchtbare Pest unter der Bevölkerung. Eine unvorstellbare
Not erfasste die Stadt und an manchen Tagen starben zweitausend Menschen. Dazu kam noch
eine riesige Überschwemmung, sodass Groves damals schrieb:
Wir sind von der verheerendsten Pest und vernichtendsten Flut umgeben; es spielen sich
Elendsszenen vor unseren Augen ab, die unsere Gefühle martern und für die wir keine
Hilfe bringen können. Doch gerade auf diesem Schauplatz hat uns der Herr in seiner
unendlichen Gnade persönlich in Ruhe und Frieden erhalten. Wir haben Zuflucht unter
dem Schatten seiner allmächtigen Flügel…”

Schließlich erkrankte Mary Groves an der Pest. Angesichts des Todes schrieb sie:
Ich wundere mich über die Führungen des Herrn, aber nicht mehr als über den Frieden,
den ich in diesen Umständen haben darf.“

Der hart geprüfte Ehemann musste im Mai 1831 seine geliebte Frau begraben, und kurze Zeit
später folgte ihr auch das jüngste Kind, ein Mädchen. Auch Groves selbst wurde von der Pest
angesteckt und rechnete mit seinem Heimgang. Doch er genas und durfte erleben, dass im
folgenden Sommer einige lang erwartete Freunde aus England eintrafen. Es folgte eine
gesegnete Zeit der gemeinsamen Arbeit. Sie teilten allen Besitz gemeinsam und nahmen sich
an freien Tagen viel Zeit zum Fasten, zu intensivem Bibelstudium und Gebet.


Jesus, nur Jesus!
Zwei Jahre später zog Groves mit seinen Söhnen und einigen Brüdern nach Bombay (heute
Mumbai), um bis an sein Lebensende in Indien das Evangelium zu verkünden und die
Gläubigen zu erbauen. Über seine Ziele und Methoden schrieb er:
Unsere häusliche Einrichtung soll ganz einfach und ganz billig sein, unser Arbeiten ganz
nach dem Evangelium. Unsere große Aufgabe wird es sein, die üblen Schranken
niederzureißen, die der Hochmut zwischen Eingeborenen und Europäern errichtet hat. Zu
dem Zweck ist es wünschenswert, dass jeder Evangelist, wohin er auch gehen mag, zwei
bis sechs eingeborene Bibelschüler mitnimmt, mit denen er auf seinen Reisen zusammen
isst, trinkt und schläft, denen er, wenn er sitzt oder aufsteht, vom Reich Gottes spricht. So
können sie in kurzer Zeit zum Dienst vorbereitet werden, in der Weise, wie unser geliebter
Meister seine Jünger zugerüstet hat, Schritt für Schritt, Regel um Regel, hier ein wenig
und dort ein wenig, wie sie es fassen können. Und sie müssen vom Anfang bis zum
Schluss fühlen, dass es nicht unsere Art ist, andere an eine Arbeit zu stellen, die wir
selbst nicht verrichten, oder sie nach Grundsätzen handeln zu lassen, die wir selbst nicht
einhalten, sondern dass wir lieber Vorbilder sind für alles, was wir bei unseren geliebten
Brüdern sehen möchten. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ich in Indien eine
Gemeinde heranwachsen sehe, die ein kleines Heiligtum in den trüben und dunklen
Tagen darstellt, welche über die Christenheit kommen.“

1835 heiratete Groves während eines Englandaufenthaltes ein zweites Mal und reiste –
nachdem er mit seinem Freund und Schwager Georg Müller aus Bristol auch Deutschland

besucht hatte – wieder nach Indien zurück. Dort ließ er sich zunächst in Madras (heute
Chennai) nieder. Er hatte den Eindruck, dass es unter den damaligen Umständen für das
Zeugnis der Christen besser war, dem Vorbild des Apostels Paulus zu folgen und für den
eigenen Lebensunterhalt zu arbeiten. So nahm er dort seine Tätigkeit als Zahnarzt wieder auf,
um in der übrigen Zeit das Evangelium zu verkündigen und die entstandenen Gemeinden zu
besuchen.
Später befasste er sich auch mit Seidenraupenzucht und Zuckerrohranbau, um den
Eingeborenen Arbeitsmöglichkeiten zu bieten und diejenigen, die im Werk des Herrn arbeiteten,
unterstützen zu können. In diesen Jahren wuchs eine große Schar eingeborener Christen
heran. Diese Evangelisten reisten in die verschiedenen Gebiete Indiens, um im Vertrauen auf
Gottes Verheißungen und ohne menschliche Absicherungen zu arbeiten. Dadurch wurden sie
vielen Indern ein Wegweiser zu Christus.
Während eines Englandaufenthaltes 1853 erkrankte Groves. Er ging am 20. Mai im Hause
seines Freundes und Schwagers Georg Müller in Bristol unter Schmerzen, aber in tiefem
Frieden heim. Seine letzten Worte drücken treffend den Inhalt seines Lebens und Dienstes aus:
„Kostbarer Jesus!“


Vater der Glaubensmission
Das vorliegende Buch hat Groves im Jahr 1825, wenige Jahre vor seiner Ausreise nach
Bagdad, geschrieben. Nach den Grundsätzen, die er in Gottes Wort gefunden hat und die er in
diesem Buch weitergibt, hat er selbst gelebt und damit wertvolle Glaubenserfahrungen
gemacht.
Als im Jahr 1827 sein Schwiegervater starb und seine Frau einen großen Geldbetrag erbte,
schrieb Groves einem Freund:
Der Tod meines Schwiegervaters vor etwa drei Wochen hat unseren Weg in mancher
Hinsicht sehr erleichtert. Er hat aber auch etwas von jenem tödlichen Verderber des
menschlichen Herzens, dem Geld, in unseren Weg gelegt, unter Umständen, die nicht in
unserer Hand liegen. Bete für uns, damit wir mit jedem Heller dieses Geldes ihn
verherrlichen können.“

Diese Haltung des damals noch recht jungen Mannes zeigt sein tiefes Vertrauen zu seinem
Herrn. Er wollte allein von ihm abhängig sein und sich jederzeit korrigieren und lenken lassen.
Diese Glaubenshaltung und auch die vorliegende Schrift war damals für den jungen Georg
Müller, den späteren „Waisenvater von Bristol“, der Anstoß und die Herausforderung, seine
große Lebensaufgabe allein im Vertrauen auf Gottes Verheißungen zu beginnen.
Auch sein späterer Freund R. C. Chapman, in England bald ‚Apostel der Liebe‘ genannt, wurde
durch dieses Buch entscheidend geprägt. Er entschloss sich, sein Leben dem Herrn zu weihen
und sich von seinem Reichtum zu trennen.

Weitere Pioniere wie der erste China-Missionar Robert Morrison (1782–1834) und der
Indien-Missionar Alexander Duff (1806–1878) sowie viele weitere Christen bis in die Gegenwart
sind durch das Vorbild und die Schrift Groves’ ermuntert worden. Sie fassten den festen
Entschluss, dem Wort Gottes als alleiniger Richtschnur für das Gemeindeleben und den
Verheißungen Gottes als einziger Absicherung für ihren Missionsdienst zu vertrauen. Daher
ging A. N. Groves auch als „Vater der Glaubensmission“ in die Missionsgeschichte ein.
Gott gebe, dass die Glaubenserfahrungen dieses Mannes auch uns anspornen, vertrauensvoll
die Hand unseres Vaters im Himmel zu ergreifen und ihm Gelegenheit zu geben, uns in der
Nachfolge Jesu Glaubenserfahrungen machen zu lassen.

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