Entführt und doch nicht verbittert

Stell dir vor, du bist zwischen fünf und dreizehn Jahre alt. In diesem Alter hast du nur Spiel und Spaß im Sinn und willst tolle Dinge erleben. Deine Eltern kümmern sich um dich, indem sie für dich kochen, waschen und dir bei allem helfen. Egal welche Probleme du hast, du kannst dich auf deine Eltern verlassen. Sie haben immer eine Lösung. Deine Eltern geben dir Sicherheit, Ruhe und Frieden. Du musst dich um nichts sorgen, denn sie sind für dich da.

Beim Heranwachsen siehst du auch, dass deine Eltern regelmäßig beten, Lieder singen und ihren Glauben an Jesus Christus praktizieren. Du möchtest ihnen nachahmen und stellst ihnen Fragen über Gott und den Glauben. Deine Eltern möchten in deinem Kinderherz den guten Samen des Wortes Gottes aussäen. Sie sagen dir, dass Gott alles in seiner Hand hält und uns alles zum Besten dient.

Doch eines Tages geschieht das Furchtbare und Unerwartete. Du wirst als zehnjähriges Kind von Fremden entführt. Es geht weit, weit weg vom Elternhaus. Niemand ist da, der für dich einsteht. Scheinbar auch Gott nicht! Denn warum sollte Gott wollen, dass du im Kindesalter von deinen Eltern weggerissen wirst? Warum sollte Gott wollen, dass du Leid erfahren musst? Warum muss das genau dir passieren? Gott, wo bist du?

Nach menschlichem Denken wären das die ersten Gedanken, die in den Kopf schießen würden.

Liebt eure Feinde

Das Alte Testament beschreibt genau die gleiche Situation:

2.Könige 5,1-3:

„1 Naeman, der Heerführer des Königs von Aram, war ein hoch angesehener Mann vor seinem Herrn und geschätzt; denn durch ihn gab der HERR den Aramäern Sieg. Aber dieser gewaltige, tapfere Mann war aussätzig.

2 Und die Aramäer waren in Streifscharen ausgezogen und hatten ein kleines Mädchen aus dem Land Israel entführt, das nun im Dienst von Naemans Frau war.

3 Und sie sprach zu ihrer Herrin: Ach, dass mein Herr bei dem Propheten wäre, der in Samaria wohnt; der würde ihn von seinem Aussatz befreien!“

Die Aramäer waren keine Freunde der Israeliten, sondern Feinde. Nun ist dieses kleine Mädchen in ihre Hände gelangt. Was für Gedanken und Sorgen mussten die Eltern sich über ihre kleine Tochter gemacht haben. Ich denke, dass die Familie viel Kraft gebraucht hat, diesen Verlust zu ertragen.

Doch für das kleine Mädchen begann ein neuer, unbekannter Lebensabschnitt. Sie wurde in das Haus eines ranghohen Offiziers gebracht. Dieser Heerführer war angesehen, erfolgreich und gescheit. Wenn er vom Dienst heimkam, war er mit einer Uniform gekleidet, die einige Abzeichen trug.

Tag für Tag musste das entführte Kind wie eine Sklavin der Frau des Heerführers dienen. Sie war nicht mehr frei und konnte ihren eigenen Wünschen nicht nachgehen. Das Mädchen war gefangen in einem fremden Land. Oft dachte sie an die Eltern und die schöne, unbesorgte Zeit in ihrem Elternhaus. Doch jetzt? Wie wird es weitergehen?

Trotz der misslichen, ausweglosen Lage half sie der Frau Naemans bei allen Aufgaben. Das junge Mädchen arbeitete sehr ordentlich, sauber und gewissenhaft. Ihrem Herrn Naeman gegenüber verhielt sie sich ehrlich und freundlich. Sie war zwar gefangen und eine Sklavin, jedoch in ihrem Verhalten ein vorbildliches Mädchen.

Nach einiger Zeit entdeckte dieses kleine Mädchen, dass sich unter der Uniform Naemans Krankheit und Leid verbarg. Dieser Mann war für die damalige Zeit unheilbar krank. Das Mädchen verstand, dass der Vater dieser Familie eine große Not hatte. Doch was ging diese Situation sie eigentlich an? Das war sein Problem!

Ihr Glaube an Gott lehrte sie, auch ihre Feinde zu lieben. Trotz dieser misslichen Lage wollte das Mädchen ihrem Herrn helfen. Sie folgte der Erwählung Gottes, dem heidnischen Heerführer Naeman die frohe Botschaft der Befreiung vom Aussatz zu bringen.

Gott hat einen Plan

An einem Arbeitstag wie jeder andere sprach das Mädchen voller Überzeugung zur Ehefrau von Naeman: „Ach, dass mein Herr bei dem Propheten wäre, der in Samaria wohnt; der würde ihn von seinem Aussatz befreien!“

Welchen Glauben muss dieses kleine Mädchen gehabt haben? Es gibt keine Geschichte in der Bibel, bei der der Prophet Elisa einen Menschen vom Aussatz befreit hat. Es gab zu der Zeit jedoch genügend Aussätzige. Und nun soll Gott einen Heiden vom Aussatz heilen? Das Mädchen hatte großen Glauben daran, dass der Gott ihrer Väter dieses Wunder vollbringen wird.

Die Frau gab diese Aussage an ihren Ehemann weiter. Folgende Bedenken könnten Naeman durch den Kopf gegangen sein: „Ist das vielleicht eine Falle des Mädchens? Vielleicht behalten sie mich dann als Geisel und fordern das Mädchen?“

Doch diese Bedenken hatte Naeman nicht. Denn er sah ihr vorbildliches, echtes und ehrliches Verhalten. Im Verlauf der Geschichte erkennen wir, dass Naeman von seinem Aussatz befreit wurde.

Gott erwählte das kleine Mädchen, um die frohe Botschaft der Befreiung in das heidnische Haus zu tragen. Das Mädchen sah den Gedanken Gottes hinter seiner Entführung anfangs nicht. Obwohl sie noch so jung war, verbitterte sie sich nicht, sondern vertraute auf ihren Gott, der keine Fehler macht. Ihr überzeugter und vorbildlicher Lebenswandel führte zur Rettung eines Menschen.

Dieser kurze Ausschnitt der Geschichte zeigt uns, dass Gott uns das Ziel seiner Wege nicht immer offenlegt. Das kleine Mädchen könnte resignieren und den Glauben an Gott verlieren. Als sie entführt wurde, wusste sie nicht, dass sie einem Offizier die Befreiung durch Gottes Hand verkündigen wird. In unserem Leben wird es sich als segensreich für uns und andere erweisen, wenn wir uns nicht gegen Gott verbittern. Sondern in jeder Situation auf die mächtige und liebevolle Hand Gottes vertrauen. Gott lässt seine Kinder nie im Stich!

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