Interview mit Igor Asanov

Igor ist 51 Jahre alt, verheiratet und Pastor in der Gemeinde Slutzk, Weißrussland. Er ist für die Lehre und Bildung der gesamten Bruderschaft in Weißrussland verantwortlich. Darüber hinaus dient er als Bibellehrer in verschiedenen Einrichtungen.

Hallo Igor! Was verstehst du unter dem Begriff „Gottes Treue”?

Der Begriff Treue an sich bedeutet Stabilität, Unveränderlichkeit und Beständigkeit. In Bezug auf Gott bedeutet das, dass in ihm keine Veränderung des Lichts besteht. Seine Eigenschaften werden nicht größer oder kleiner.

Gott ist treu und der Mensch bemüht sich, treu zu sein. Der Mensch kann sich absolut auf die Treue Gottes verlassen und das ist für den Menschen eine große Hilfe. Denn wenn wir Menschen versuchen eine Beziehung zueinander aufzubauen, haben wir immer im Hinterkopf: „Wird dieser Mensch mich nicht betrügen? Wird er mir nichts Böses tun? Wird er mich nicht ausnutzen?“ Das ist immer eine große Schwierigkeit unter den Menschen. Wenn der Mensch aber eine Beziehung zu Gott aufbaut, hat er diese Angst nicht.

Gott liebte dich gestern, Er liebt dich heute und Er wird dich morgen lieben. Das bedeutet nicht, dass Gott nicht strafen wird, aber seine Liebe wird nicht kleiner werden. Das ist Stabilität, Unveränderlichkeit und Beständigkeit. Das charakterisiert Treue.

Wenn du den Umfang der Treue Gottes festlegen müsstest, wie würdest du das bezeichnen? Was beinhaltet die Treue Gottes?

Um diese Frage zu beantworten, erzähle ich folgendes Beispiel:

Wenn einem 6-Jährigen die Aufgabe gestellt wird, die Liebe seines Vaters zu beschreiben, kann er sie mit mindestens drei Worten benennen. Das erste Wort ist „Ja“. Es spielt keine Rolle, um was der Junge seinen Papa bittet, er würde es bejahen. Das ist ein Beweis der Liebe seines Vaters. Das zweite Wort ist „Süßigkeit“. Die Taschen des Vaters sind mit Süßigkeiten gefüllt, die dem Jungen jederzeit angeboten werden. Es gibt immer etwas, womit er seinem Kind das Leben versüßt. Und das dritte Wort ist „Spielzeug“.

Aber wenn der Vater gefragt wird, ob er seinem Sohn auch manchmal etwas verbietet, ihm eine bittere Pille anstelle der Süßigkeit gibt oder den Sohn auch einmal bestrafen muss, lautet die Antwort zu jeder dieser Frage: „Ja!“ Das Kind geht davon aus, dass die Bedeutung der Liebe beinhaltet, immer und zu allem die Zustimmung zu bekommen.

Auch in unserem Leben kommt es dazu, dass wir glauben, dass Gottes Treue uns vor unangenehmen Erfahrungen bewahren wird.

Wir sollen sagen: „Gott, Deine Liebe und Treue sind größer, als ich begreifen kann. Ich verstehe manches nicht, aber ich werde Dir weiterhin vertrauen.” Genau das ist der Weg, um unsere Beziehung zu Gott aufzubauen.

Zusammengefasst bedeutet die Treue Gottes also, dass sie alle Sphären unseres Lebens einschließt. Und obwohl wir nicht alles verstehen, vertrauen wir einfach. Wir nehmen in Demut alles an, was Er für uns erdacht hat.

Du hast davon gesprochen, dass wir nicht immer Gottes Arbeit in unserem Leben verstehen, aber gerade in solchen Momenten vertrauen müssen. Hast du schon einmal solch eine Situation in deinem Leben erlebt?

Lass mich ein Beispiel aus meinem Leben bringen. Ich war Dispatcher beim staatlichen Energieversorger Weißrusslands. Im Jahre 2003 verdiente ich 400 €, das war eine hohe Summe für unsere Verhältnisse dort. Dann kam der Vorschlag, eine Bibelschule für unsere Bruderschaft zu organisieren. Dafür wurden jedoch Brüder mit theologischer Ausbildung gebraucht. So wurde entschieden, Brüder aus verschiedenen Ländern für ein Theologie-Studium auszusenden. Im selben Jahr zog ich dann für das Studium um und musste dafür meine Arbeit kündigen. Mir hat niemand etwas versprochen. Das war wie ein Schritt in den Abgrund. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie das alles enden würde. Zwei Jahre lang erhielt ich finanzielle Unterstützung von 20 € pro Monat und wir lebten auf Kosten des Verdienstes meiner Frau. Im Mai 2005 bekam ich mein Theologie-Diplom und die Zahlung von monatlich 20 € wurde eingestellt. Der Juni kam und niemand bot mir etwas an. Keiner sagte: „Igor, willst du nicht zu uns kommen? Wir bitten dich, dass du hier bei uns lehrst.“ Aber das Leben forderte dennoch Ausgaben. Ich begann bei einem Bauunternehmer zu arbeiten, um dort in Neubauten Leitungen und Schalter zu verlegen. Montags fuhr ich in eine andere Stadt, 100 km entfernt, um dort zu arbeiten, und kam freitags wieder zurück. Das ging drei Monate so und ich dachte mir: „Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht, als ich mich darauf eingelassen habe?“

Im August rief mich Hugo Janzen an und sagte: „Igor, wir brauchen deine Hilfe. Kannst du uns helfen, eine Bibelschule in den russisch-sprachigen Gemeinden in Frankreich zu organisieren? Wir haben Lehrer, aber sie sprechen nur deutsch.“ So führte ich dort zwei Jahre lang die Bibelschule und hielt dann Seminare in Belgien. Das ist ein Beispiel aus meinem Leben, in dem du einen Schritt vorwärts machst, und keine Garantien von niemandem hast. Du fliegst und weißt nicht, ob dich unten eine weiche Matratze oder harte Steine erwarten. Du fliegst einfach und wartest, wie das alles enden wird. Dann lud man mich an ein biblisches Institut nach dem anderen ein, und langsam kam ich wieder in einen Zustand, wo ich davon leben konnte.

Heute kann ich folgendes sagen: Ich habe einfach vertraut. Ich habe gesagt: „Herr, ich weiß nicht, wie das alles endet, aber ich gehe einfach.“

Ich glaube, Vertrauen kann man nicht aus Büchern lernen. Vertrauen muss man in seinem Leben durch Erfahrungen lernen.

Wie kann ein Jugendlicher in seiner Beziehung zu Gott die Beständigkeit erreichen, Gott treu zu bleiben?

Jeder Mensch hat die Wahl und muss sich entscheiden, wem er vertraut. Man hat Lebenserfahrungen und gewisse Resultate. Zum einen kann der Mensch seinen eigenen Erfahrungen oder Vernunftschlüssen vertrauen. Oder seinem Nächsten, das können ältere oder schlauere Leute sein. Der Mensch kann aber auch Gott vertrauen. Und wie findet er heraus, was Gott denkt? Durch die Bibel. Hier ergibt sich ein interessanter Fakt: Deine Erfahrungen sagen das Eine, die Menschen um dich herum etwas anderes, und die Bibel wieder etwas komplett anderes. Wem willst du vertrauen? Diese Entscheidung ist nicht für jeden leicht. Denn der Mensch weiß um seine eigenen Erkenntnisse und hört die Ratschläge der anderen. Aber dem, was er in der Bibel liest, muss er glauben. Genau das zeigt das Vertrauen auf Gottes Wort.

In der Bibel gibt es eine Geschichte, da kamen die Hebräer in die Stadt Jericho. Wie hat man üblicherweise eine Stadt belagert? Man hat Belagerungsmaschinen genommen und die Festung gestürmt. Was sagte Gott in dieser Geschichte? „Ihr müsst die Wände nicht zerstören. Ihr müsst keine Pfeile schießen. Ihr sollt einfach still um die Stadt laufen und wieder auf euren Platz gehen.“ Die Israeliten hatten ihre Erfahrungen im Krieg und die Art der Belagerung, wie Gott es befahl, war ihnen nicht bekannt. In der Geschichte der Kriegsführung gab es noch nie ein solches Beispiel. Einen Tag kann man sich auf so etwas einlassen. Aber nach dem zweiten, dritten Tag haben die Einwohner Jerichos sich vermutlich den Finger an den Kopf gehalten und gesagt: „Ihr Israeliten! So werdet ihr uns aber nie besiegen!“. Aber die Israeliten sagten: „Gott hat es uns so befohlen!“.

Auch wenn heutzutage jemand nach dem Wort Gottes lebt, trifft es oft bei den Mitmenschen auf Unverständnis. Sie empfinden diese Lebensweise als komisch und eigenartig, weil es anders ist. Manche werden vielleicht sogar zornig, da es ihrem eigenen Leben widerspricht. Und auch wir können sagen: „Uns hat Gott gesagt, es so zu tun.“ In einem Psalm steht geschrieben: „Es hilft weder Rat noch Erkenntnis gegen den Herrn.“ Das heißt, es gibt keinen einzigen Ratschlag, den man als klug oder weise bestimmen könnte, wenn er gegen das Wort Gottes spricht. Deshalb ist es wichtig für den Menschen, zu wählen, wem er vertrauen möchte und wessen Autorität in seinen Augen die Höchste ist. Die beste Entscheidung ist es, Gott und die Bibel als Richtschnur zu wählen.

Vielleicht hast du in diesem Zusammenhang noch ein Schlusswort für die Jugend?

Wir leben in einer Zeit, in der uns eine Vielzahl an Meinungen zugänglich ist. Für jede Situation unseres Lebens können wir tausende Stimmen wahrnehmen, die uns sagen, wie wir zu handeln haben. Ich wünsche euch, dass ihr auf die Stimme des guten Hirten hört, unseres Herrn Jesus Christus. Ich wünsche euch, dass ihr Ihm den Gehorsam zeigt. Nicht nur dann, wenn die anderen Menschen es nicht verstehen, sondern auch wenn ihr es selbst nicht versteht. Bleibt stets dabei, euch seinem Wort, seinen Geboten und seiner Stimme zu unterordnen. Er ist der gute Hirte und Er weiß von eurem Leben viel mehr, als ihr es selbst wisst. Haltet euch fest an seiner Hand und lasst sie niemals los!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert