Augustine Jebakumar ist seit 50 Jahren Missionar in Indien. 1979 gründete er die Missionsgesellschaft „Gospel Echoing Missionary Society“ (GEMS), die heute 2.800 vollamtliche Mitarbeiter beschäftigt. Ihre wichtigsten Aufgaben sind die Verkündigung des Evangeliums, das Wachstum der Gläubigen und die Hilfe durch humanitäre und soziale Unterstützung. Durch das Engagement von GEMS können 25.000 Kinder und Jugendliche unterrichtet und ernährt werden. Darüber hinaus werden Waisen und Halbwaisen in 48 Kinderheime betreut.
Im Rahmen der INTER-Missionskonferenz in Villingen-Schwenningen hatten wir die Gelegenheit, Augustine Jebakumar über seine Berufung und seinen Dienst in Indien zu interviewen.
Hallo Augustine! Schön, dass du wieder in Deutschland bist. Wie bist du eigentlich zu deinem Missionsdienst in Indien gekommen?
Zuerst muss ich sagen, dass ich das Privileg hatte, in einer christlich geprägten Familie aufzuwachsen. Dort brachte man mir bei, die Bibel zu lesen und Gebete aus einem anglikanischen Gebetsbuch auswendig zu lernen. Ich erinnere mich sogar daran, dass ich die Predigt, die ich in der Kirche hörte, Zuhause wiederholen musste. Erst danach durfte ich mein Mittagessen einnehmen. Das waren die Grundlagen, die Gott legte, obwohl ich mir meiner Berufung noch nicht bewusst war. Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich eher ein religiöses Leben führte. Ich ging regelmäßig in die Kirche, nahm an der Jugendarbeit und an Treffen teil, aber ich hatte keine funktionierende Beziehung mit Gott.
Da ich einer der besten Schüler in meiner Schule war, bot sich mir die Möglichkeit, Maschinenbau zu studieren. Nach meinem Abschluss kam ich nach Chennai, einer Stadt in Südindien. Dort hatte ich eine gute Anstellung in einer Firma, die mich hervorragend bezahlte. Trotzdem fühlte ich mich innerlich leer. Dies trieb mich dazu, eines Tages auf eine ganz besondere Art und Weise in meinem Zimmer zum Herrn zu flehen. Daraufhin hatte ich eine besondere Begegnung mit dem Herrn, die meine ganze Einstellung und Lebensperspektive veränderte.
Mein Herz fing an, für die Evangelisation zu brennen. So trafen wir uns zwei Mal pro Woche zum Gebet mit Freunden. Dienstags für zweieinhalb Stunden und freitags beteten wir die ganze Nacht hindurch. In einem solchen Gebetstreffen zeigte der Herr mir eine Karte von Bihar und befahl mir, dorthin zu gehen. Bihar war zu dieser Zeit als „Friedhof der Missionare“ bekannt. Einer der gesetzlosesten und ärmsten Regionen. Ich wollte zuerst nicht gehen. 20 Monate lang kämpfte ich gegen dieses Drängen, bis ich nachgab und für einen Monat nach Bihar reiste.
Während dieser Zeit in Bihar erlebte ich eine ganz besondere Begegnung. Es war, nachdem ich ca. 1.000 Menschen fütterte. Ich ruhte mich aus und sah in großen Buchstaben den „13. Oktober“. Ich fragte Jesus: „Herr, was ist das?“ Der Herr sagte: „Geh“. Nachdem ich mich jedoch weigerte und mit „Nein“ antwortete, sah ich zwei wunderschöne Augen. Solche weinenden Augen, die ich noch nie gesehen hatte. Tränen kullerten herunter und fielen auf mich. Ich hörte eine hörbare Stimme, die sagte: „Sohn, wenn du nicht gehst, habe ich keinen“. Ich konnte nicht mehr stehen, fiel hin und kündigte dann meinen Job und landete in Bihar. Ich kannte die Sprache nicht, wusste nicht, welchen Dienst ich haben würde, wusste nicht, wie lange ich bleiben würde und all diese Dinge. Ich bin einfach gegangen.
Wie hast du in Bihar deine Missionsarbeit angefangen?
Zuerst wohnte ich in einer kleinen Gemeinde und war dort aktiv. Die Besucherzahl in dieser Kirche war sehr gering, weil die Missionare nicht viele Menschen dorthin bringen konnten, und kaum vier bis fünf Leute versammelten sich dort. Sie waren mehr Namenschristen als wirkliche Nachfolger Jesu.
Ich lernte zuerst fünf Monate lang die Sprache und verteilte in der Zwischenzeit Traktate. Aber es war schwer, durchzukommen, da die Menschen sehr religiös waren. Ich habe aufrichtig versucht, mich mit ihrem Leben zu identifizieren. Nachdem ich die Sprache gelernt hatte, begann ich mit Kindern zu arbeiten. Und das war der Anfang.
Du dienst seit deiner Ankunft in Bihar mehr als 50 Jahre als Missionar. Welche großen Herausforderungen hast du in dieser Zeit in deinem Dienst erlebt?
Ich las anfangs sehr viele Autobiografien von Missionaren in Indien und auch außerhalb Indiens. Deshalb rechnete ich mit vielen Schwierigkeiten und Bedrohungen. Ich war nie verzweifelt. Natürlich wurde ich mit Herausforderungen konfrontiert, aber das machte mich stark. Denn wenn ich mir das Leben des Paulus als Missionar anschaue, sehe ich meine Schwierigkeiten und mein Leiden als nichts im Vergleich zu dem, was Paulus durchmachte. Ich folge einfach. Und wenn ich zum Kreuz komme, sehe ich Jesus. Grundlos wurde er gekreuzigt. Ich sehe die anforderungsarme Liebe, die er den Menschen entgegenbrachte. Und wenn ich hinter ihm gehe, erwarte ich keinen glatten, rosigen Weg.
Die ersten 15 Jahre im missionarischen Dienst waren wirklich hart. Wir hatten sehr wenig und die Früchte waren auch sehr gering, trotz unserer harten Arbeit und unseres aufopferungsvollen Dienstes. Aber eines Tages weinte ich: „Herr, warum geschieht hier nichts?“. Wir arbeiteten hart, beteten und fasteten viel. Und der Herr sprach folgendes: „Im dritten Jahr wirst du die Ernte sehen. Dieses Jahr werdet ihr etwas bekommen, im nächsten Jahr nur wenig, aber im dritten Jahr.“ Doch ich wusste nie, dass das dritte Jahrzehnt gemeint war. Gottes Kalender ist anders. Die ersten zwanzig Jahre waren also sehr, sehr hart. Die ersten 15 Jahre waren die schwerste Zeit, aber dann begannen sich die Dinge langsam zu ändern. Im dritten Jahrzehnt wurden viele Menschen erzogen und langsam kam es zu einer Explosion, und ich kann sagen, dass Gott seine Verheißung nach seinem Kalender erfüllte, auf seine eigene Weise.
Du bist mittlerweile in den Gemeinden unserer Bruderschaft viel herumgekommen und konntest so manche Einblicke gewinnen. Hast du speziell für die Jugendlichen aus unseren Gemeinden einen Wunsch?
Was ich in euren Kirchen und an anderen Orten gesehen habe, ist, dass die Beziehung der Jugendlichen zum Herrn im Allgemeinen nicht so stark ist. Sie haben ein großes Wissen über das, was um sie herum geschieht, und sie haben vielleicht ein großes theologisches Wissen, aber die Beziehung zu Gott macht den Unterschied. Mit Gott zu gehen ist etwas anderes. Gott zu hören ist etwas anderes. Wenn sie sich darauf konzentrieren, eine echte Beziehung zu Gott zu haben, kann viel mehr durch sie geschehen.
Wir sehen, dass es in Indien viele Veränderungen gibt – auch bei GEMS. Du wirst älter und viele neue Leute kommen oder gehen. Was ist dein Wunsch für Indien und die Mission?
Schon vom ersten Tag an betete ich zu dem Herrn: „Zeige mir, was mit der Zukunft geschieht, wenn ich nicht da bin. Nicht nur für meine Mission, sondern auch für die Nation.“ Vom ersten Tag an fing ich an, Menschen zu betreuen, damit sie ihre Berufung finden. Und wenn sie ihre Berufung gefunden haben, kann ich sie anleiten, damit sie ihre Rolle verstehen. Ich bilde sie aus und gebe ihnen die nötigen Möglichkeiten. Auf diese Weise konnte ich viele junge Menschen heranziehen für das Werk des Herrn – heute sind sie zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt.
Momentan arbeite ich aber mit den 20- bis 30-Jährigen. Es gleicht einem militärähnlichen Training – jedoch für den Herrn. Es ist ein sehr intensives Training und findet jeden Tag von morgens um 5 bis 10 Uhr abends statt. Die freiwilligen Personen leben in einem Zelt und sind nur mit dem Nötigsten ausgestattet. Diese Ausbildung ist notwendig, damit ich ihnen die persönlichen Herausforderungen und den Wandel der Trends in Indien vermitteln kann. Denn es gibt einen großen Hass auf uns, der in den Herzen der Menschen verankert ist. Mehr als jemals zuvor. Er ist so stark und wird immer stärker. Also bereiten wir die Menschen auf diese Herausforderungen vor. In Psalm 71 heißt es: „O Gott, du hast mich gelehrt von Jugend auf, und bis hierher verkündige ich deine Wunder. Und auch wenn ich alt werde, wenn mein Haar ergraut, verlass mich nicht, o Gott, bis ich deinen Arm verkündige dem künftigen Geschlecht, deine Macht allen, die noch kommen sollen.“
Es ist wie eine Kettenreaktion. Es ist wie ein Rallye-Rennen. Wir müssen den Schläger an jemanden weiterreichen. Wer ist bereit, wer ist auf der Strecke? Wenn das beibehalten werden kann, können große Dinge geschehen.
Und Gott hat neue Berufungen für neue Leute, die diesen Schritt gehen…
Auf jeden Fall. Ich fordere die jungen Leute immer wieder heraus, zu kommen und sich anzuschließen. Wenn ich in ihnen die Gnade sehe, dass sie ein Leiter sein und andere betreuen können, dann konzentrieren wir uns völlig auf sie. Im Moment kümmere ich mich um zweihundert Leiter. Es ist zwar ein Team von 3000 Mitarbeitern, aber ich konzentriere mich auf 200. Ich forme sie, damit sie auf dieses Niveau kommen können.
Gott sei gelobt. Und das alles nur, weil eine Person den Ruf von Gott erhielt und gegangen ist!
Gott gab mir die Gnade zu gehorchen. Am Anfang war es nicht leicht, aber wie ich schon sagte, es war im Plan Gottes. Also fügte ich mich Seinem Willen und dann geschahen all diese Dinge.
Ich danke dir für deine Zeit und auch für deine Antworten, die du uns gegeben hast.
Ich danke Euch. Es ist mein Gebet, dass dieses kleine Interview veranlasst, dass Menschen für den Herrn eintreten und ihren Platz im Reich Gottes und ihre Rolle in dieser Generation verstehen.