Bewusstes Leben ist nur mit Gott möglich
Bischof Jakob Wiebe wurde am 7. April 1927 in der Ukraine geboren. Als ältester Sohn eines Volksschullehrers wuchs Jakob zwischen Kindern deutscher Kolonisten in den Regionen Nikolaev und Cherson auf.
Jakobs bewusstes eigenständiges Leben begann 1938, als man seinen Vater während der stalinistischen Repressionen fälschlicherweise wegen anti-sowjetischer Aktivitäten verhaftete. Dies prägte Jakobs Wahrnehmung von einem ungerechten System, das ehrliche Menschen fürchtete und ungerechtfertigt verfolgte. Nach der Freilassung und Rehabilitation seines Vaters wurde dieser zum Unterrichten in eine ukrainische Schule geschickt. Konfrontiert mit einem neuen Umfeld und der bisher nicht beherrschten ukrainischen Sprache und Kultur, lebte die Familie sich dort ein und fühlte sich schnell wohl in der neuen Umgebung.
Kindlicher Glaube
Um seine Anstellung zu sichern, verheimlichte Jakobs Vater vor der atheistischen Regierung, dass er und seine Frau Mennoniten waren. Die Familie versammelte sich regelmäßig, um biblische Lektionen zu hören und zu beten, wodurch die Kinder eine tiefe Liebe zum Wort Gottes entwickelten. Als Jugendlicher war Jakob sehr aktiv und betrieb verschiedene Sportarten, die seine Eltern oft nicht billigten. Auch Jakob wusste im Innern, dass diese große Leidenschaft sein geistliches Wachstum negativ beeinflusste.
1941, zu Beginn des Krieges, wurde Jakobs Vater erneut wegen falscher Anschuldigungen verhaftet. Eine nächtliche Durchsuchung ihres Hauses führte zu keinen belastenden Beweisen außer einer Bibel. Die Verhaftung erschütterte Jakobs Mutter zutiefst. Nun war es an ihm, seine verzweifelte Mutter zu trösten und die Rolle als „Mann“ in der Familie zu übernehmen. Es war das Bewusstsein der Gegenwart des lebendigen Gottes, das sie durch diese Zeit trug. Sie wussten, dass ihr Herr sie niemals im Stich lassen würde.
Erweckung unter den Mennoniten
Unfähig, alleine für ihre Kinder zu sorgen, fühlte sich Jakobs Mutter gezwungen, den nächsten Umzug anzutreten. Die Familie sammelte ihre bescheidenen Habseligkeiten und zog zu Verwandten im Süden der Ukraine. Die dort ansässigen Mennoniten, deutsche Bauern, nahmen nun ihre geistlichen Aktivitäten wieder auf. Unter den schrecklichen Umständen des Krieges bekannten Jung und Alt ihre Sünden, in dem Bewusstsein, dass ihre Schicksale alle in den Händen des Schöpfers liegen. Sie hielten Versammlungen ab und beteten gemeinsam, trotz des sowjetischen Verbots religiöser Äußerungen. Auch die Wassertaufe durften Jakobs Schwestern in dieser Zeit erleben, er selbst war noch nicht bekehrt.
Jakob lernte in der Schule sehr gut und so bot die deutsche Besatzungsbehörde ihm an, sich zum Lehrer ausbilden zu lassen. Er stimmte zu und wurde dafür an verschiedene Orte geschickt. Aber als die deutschen Truppen im Krieg zurückwichen, entschieden sie, die ethnischen Deutschen zu evakuieren. So bestand die Gefahr, dass auch Jakob in die deutsche Armee eingezogen werden könnte. In dieser Not rief er zu Gott mit dem Versprechen, ein neues Leben als Christ zu beginnen, wenn er sicher nach Hause gelangen würde. Über die ganze Zeitspanne seiner Abwesenheit betete Jakobs Mutter unablässig für ihren ältesten Sohn. Nichts wünschte sie sich mehr, als dass Jakob Jesus als seinen persönlichen Erretter annehmen möge. Bei seiner Familie angekommen, vergaß Jakob sein Versprechen sofort. Doch dann erzählte seine Mutter ihm von einem Traum, in dem ein Zug in den Himmel auffuhr, doch er war nicht dabei.
„Du bist mein!“
Bewegt von diesem Traum fühlte sich Jakob sehr einsam. Er betete um Vergebung und Hilfe, ein echter Christ zu werden. Nach einer schlaflosen Nacht des Betens erlebte er dann eine tiefe Gewissheit der Erlösung. Gott sprach zu ihm die direkten Worte aus Matthäus 11,28 und rief ihn damit zur aufrichtigen Buße. Doch auch dann ließ ihn der Widersacher nicht in Ruhe und quälte ihn mit großen Zweifeln. So rang Jakob innig um die Befreiung davon, bis er Gottes Stimme mit den Worten: „Ich habe dich erlöst, du bist mein!“ aus Jesaja 43,1 hörte. Seit diesem Moment konnte nichts und niemand an seiner Überzeugung der Heilsgewissheit rütteln. Gemeinsam mit seiner Mutter dankte Jakob Gott für seine große Liebe. Die Zweifel verschwanden, sein Herz war von Freude erfüllt.
Erste Widerstände
Nach einiger Zeit, mit 17 Jahren, wurde Jakob von den Nazis an die Front gezwungen und diente in der deutschen Armee. Trotzdem hielt er sich strikt an seine moralischen Überzeugungen. So bewahrte Gott vor falschen Einflüssen und führte ihn aus den Kriegsgefechten heraus in die Gefangenschaft. In den vier Jahren der Verbannung leitete Gott ihn durch schwere Prüfungen. Doch auch da durfte Jakob Gottes Gnade in jeder schmerzlichen Umformung erkennen. Gott bereitete ihn für seinen späteren Dienst. Nach der Gefangenschaft Ende 1949 begann er, heimlich Gottesdienste im fernen Osten abzuhalten. Jakob und seine Glaubensbrüder begannen, eine Gemeinschaft aufzubauen, die stetig wuchs.
Die örtlichen Behörden forderten die Gläubigen dazu auf, ihre Unterschriften unter Friedensaufrufe zu setzen. Als diese sich weigerten und erklärten, dass wahrer Friede nur durch Buße und Versöhnung mit Gott erlangt werden könne, war die Obrigkeit empört. Der Hass auf die Glaubensgemeinschaft nahm zu und ihre Meinung wurde als Aufstand gegen das stalinistische Regime betrachtet. Im Januar 1951 wurden fünf Brüder verhaftet – darunter auch Jakob. Doch auch in dieser Situation hielten sie stand. Sie wussten, dass diejenigen, die in Christus gottesfürchtig leben wollen, verfolgt werden und dass Verhaftung und Gefängnis Teil ihres Weges waren.
Zum Beten verurteilt!
Das Militärgericht verurteilte die Gläubigen zunächst zum Tode, jedoch wurde das Urteil dann in 25 Jahre Freiheitsentzug umgewandelt, um die Menschlichkeit der sowjetischen Regierung zu betonen. Zusätzlich würden sie nach ihrer Haftentlassung für weitere fünf Jahre ihrer bürgerlichen Rechte beraubt. Jakob entschied sich, in jeder Lage offen zu beten. Unabhängig von Räumlichkeiten, Mitmenschen oder Gefühlslage. Diese Gewohnheit stärkte ihn immens und gab ihm die Kraft, die Treue zu halten. Jakob würde um jeden Preis den Glauben verteidigen, selbst wenn es bedeutete, im Gefängnis zu bleiben. Auch als man ihnen anbot, die Entlassung sofort durchzuführen, wenn sie ihren Glauben verleugnen, sahen Jakob und die anderen Glaubensbrüder diese Entscheidung als Möglichkeit, ein Zeugnis zu sein.
Die Bibel als Anker
Jakob verbrachte viele Jahre im Exil, weit weg von der Zivilisation. Die Gläubigen wurden getrennt und regelmäßig in neue Lager geschickt, um gegenseitige Hilfe zu verhindern. Trotz der harten Bedingungen empfand Jakob Freude darin, für Jesus Christus zu leiden. Er sehnte sich nach dem Wort Gottes und hatte keinen größeren Wunsch, als die Bibel zu lesen. Nach einiger Zeit gewährte man ihm eine deutsche Bibel. Obwohl er verschiedenen Konfessionen gegenüberstand, hielt Jakob an seinem Glauben fest und bekam Trost durch das Lesen und Auswendiglernen des Evangeliums.
Bekanntschaft mit einem Glaubenshelden
In einem neuen Lager lernte Jakob Viktor Iwanowitsch Belich kennen, einen jungen Pfingstler, der das Wort Gottes klar und überzeugend predigte. Sie diskutierten über theologische Fragen und basierend auf der Bibel offenbarte er Jakob, was wahre Reue, die Wassertaufe und die Geistestaufe sind. Je mehr Jakob verschiedene protestantische Lehren kennenlernte, desto mehr führte Gott ihn zu den Pfingstlern. Ihr konsequentes Bibelstudium und auch das praktische Leben nach dem Wort Gottes ließen ihn danach streben, ebenfalls in dieser Ruhe und Freude in Jesus zu leben. Mit Bruder Viktor Belich eiferte er um die Taufe des Heiligen Geistes. Gott offenbarte ihm, dass er vor der Geistestaufe durch eine schwere Prüfung gehen müsste.
Gott allein ist die Hoffnung
Jakob träumte daraufhin, dass bei ihm eine offene Tuberkulose diagnostiziert wurde. Im Traum antwortete er den Ärzten, dass Gott mächtig ist, alle Krankheiten zu heilen. Kurze Zeit später lieferte man ihn tatsächlich mit dieser Diagnose ins Lager-Krankenhaus ein. Obwohl andere ihn drängten, medizinische Hilfe einzufordern, entschied Jakob sich dafür, sich ganz auf Gottes Willen zu verlassen. Sein Zustand verschlechterte sich zunehmend. In einem tränenreichen Gebet flehte er um Vergebung und versprach Gott, ihm treu zu folgen und zu dienen. Jakob spürte im Gebet eine Umarmung des Heiligen Geistes und erkannte, dass er die echte Geistestaufe erhalten hatte. Nach einem weiteren intensiven Gebet offenbarte Gott ihm eine Rezeptur mit Fischöl und Zwiebeln, die seine Heilung unterstützen sollten. Nach einem halben Jahr stellten die Ärzte fest, dass seine Lungen vollständig gesund waren.
Arbeit im Weinberg des Herrn
Das Jahr 1956 brachte eine Wende für Jakob. Eine Kommission aus Moskau überprüfte die Fälle der unschuldig Verurteilten im Lager. Obwohl er zu 25 Jahren Haft verurteilt worden war, erkannten die Beamten, dass sein einziges „Verbrechen“ sein Glaube an Gott war. Nach seiner Freilassung besuchte Jakob zuerst Bruder Viktor Belich, der eine Pfingstgemeinde gegründet hatte.
Jakob kehrte mit 29 Jahren zu seiner Familie in Ostkasachstan zurück, besuchte Verwandte an verschiedenen Orten und predigte überall das Wort Gottes. Er organisierte regelmäßig Treffen für diejenigen, die die Bibel studieren wollten, und eine kleine Gemeinde von Gläubigen bildete sich um ihn herum. Sein einziges Ziel war immer die Buße der Menschen. Die Rettung der Seelen war dem jungen eifrigen Bruder wichtiger als alles andere und erfüllte sein ganzes Herz.
Schließlich zog er mit seinen Eltern nach Issyk und begann auch dort zu predigen. Obwohl sie auf Hindernisse und Prüfungen stießen, wurden sie von Gott geführt und fanden Unterstützung in ihrer Gemeinschaft. Mit 33 Jahren heiratete Jakob Anna Buling und sie wurden ein starkes Team im Dienst für Gott. Gemeinsam ertrugen sie alle Prüfungen und Verfolgungen seitens der atheistischen Behörden.
Gott gibt das Gedeihen
Die Einsegnung im Jahr 1964 zum Pastor der Gemeinde in Issyk war eine Bestärkung seiner Hingabe und seines Engagements für die Evangelisation. Unter seiner Leitung entstanden weitere Gemeinden und die Verbreitung des Evangeliums weitete sich auf verschiedene Regionen aus. Trotz Herausforderungen und Überfällen blieben Jakob und seine Mitstreiter ihrem Glauben und ihrer Mission treu.
Die Auswanderung 1980 nach Deutschland und Jakobs Einsegnung zum Bischof waren weitere entscheidende Ereignisse für die Entwicklung der Bruderschaft. Die Gemeinden wuchsen und neue entstanden, insbesondere nach den demokratischen Veränderungen in der UdSSR. Die Zusammenarbeit der Bischöfe trug zur geistlichen Stärkung der Bruderschaft in Deutschland bei und zeigt auch heute noch die Früchte der Hingabe für das Werk des Herrn auf.