10% oder mehr? – Vom finanziellen Gottesdienst
„Denn ihr kennt ja die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, dass er, obwohl er reich war, um euretwillen arm wurde, damit ihr durch seine Armut reich würdet.“ (2.Kor. 8,9)
An der Wand von Präsident Lyndon Johnsons Büro im Weißen Haus hing ein gerahmter Brief. Über hundert Jahre zuvor hatte General Sam Houston an Johnsons Urgroßvater, George W. Baines, geschrieben. Baines hatte Houston zu Christus geführt. Nachdem General Houston getauft worden war, bot er an, für die Hälfte des Gehalts des örtlichen Pastors aufzukommen. Als ihn jemand nach dem Grund dafür fragte, antwortete er: „Meine Brieftasche ist auch getauft worden.“ Sam Houston demonstrierte die Realität der Gnade Gottes für ihn, indem er diese Gnade durch sein Geben vergalt.
Zu allen Zeiten gaben Menschen, die mächtig von der Gnade bewegt wurden, freiwillig Gott ein Teil ihres Einkommens ab. Sei es die Israeliten in der Wüste für die Herstellung der Stiftshütte oder unter David für den Bau zum Tempel. Selbst die Gemeinden in Mazedonien spendeten aus ihrer Armut weitaus mehr, als sie konnten, weil sie sich zuerst dem Herrn gaben. (2.Kor. 8,5)
2024 gab der Deutsche Fundraising Verband bekannt, dass von 39 Millionen Christen in Deutschland ca. 56 % (21,8 Millionen) spendeten. Das geschätzte Pro-Kopf-Spendenaufkommen betrug pro Kirchenmitglied ca. 180 € im Jahr. Eine Jugendkompass-Umfrage zum Thema „Wohin fließt dein Geld?“ (vgl. S. XX) zeigt, dass von 383 Teilnehmern 306 Jugendliche monatlich spenden. Davon 172 Personen unter 100 €. Das heißt, dass rund 80 % der Jugendlichen monatlich spenden, wobei gut die Hälfte davon unter 100 Euro gibt.
Vergleichen wir unsere finanzielle Opferbereitschaft mit der der ersten Gemeinden, müsste uns eigentlich – wenn wir ehrlich sind – ein Gefühl von tiefer Beschämtheit erfassen. Folgende Sätze der frühen Kirchenväter prägten die Einstellung der damaligen Christen bezüglich ihres finanziellen Gottesdienstes:
„Christen, die Freiheit haben, überschreiben ihren ganzen Besitz dem HERRN und schenken freimütig einen nicht geringeren Teil ihres Besitzes her, zumal sie Hoffnung auf Größeres haben.“ – Irenäus
„Der Zehnte wird als Schuld erhoben, und wer nicht bereit ist, ihn zu zahlen, macht sich des Raubes schuldig.“ – Augustinus
„Wenn jemand dies nicht tut (d.h. das Geben des Zehnten), dann wäre auch darin überführt, dass er Gott betrügt und zur Seite drängt.“ – Hieronymus
Es wird also auch Zeit für uns, nicht länger oberflächlichen Meinungen Gehör zu schenken, sondern danach zu suchen, was das Wort Gottes zu diesem Thema spricht.
Der Zehnte zur Zeit der Patriarchen
Die Praxis des Zehnten begann lange vor dem Gesetz des Mose. Abraham gab dem Hohepriester Melchisedek den Zehnten, als dieser nach der Schlacht gegen Kedor-Laomer und der Könige zu ihm kam und ihn segnete (1.Mos. 14,17-20). Für den Vater der Hebräer war es selbstverständlich im Gegenzug dazu, dem Priester den Zehnten Teil zu geben. Er wollte auch nichts von der Beute nehmen, die der König von Sodom ihm anbot, weil er die Hoffnung seiner Versorgung auf Gott setzte (1.Mos. 14,22-23).
Auch bei Jakob sehen wir ein ähnliches Verhalten. Der HERR erschien ihm in Bethel, erinnerte ihn an den Bund Abrahams und Isaaks und sagte erneut zu, seinen Bund einzuhalten. Daraufhin versprach Jakob Gott alles, was er einnehmen wird zu verzehnten. Er erkannte durch das Geben des Zehnten im Voraus die finanzielle Wohltat Gottes in seinem Leben an (1.Mos. 28,22).
Ob noch anderen Menschen den Zehnten gaben oder ob diese beiden Männer auch zu anderen Gelegenheiten den Zehnten gaben, erfahren wir nicht. Vielleicht gaben Abel, Henoch, Noah und andere den Zehnten, bevor das Gesetz gegeben wurde, genau so wie sie schon den Sabbat hielten, bevor es verordnet wurde. Aufzeichnungen weisen darauf hin, dass die Ägypter, Chaldäer und Assyrer alle ihren Göttern den Zehnten gaben, wie auch einige der alten Chinesen, Griechen, Römer und Araber.
Der Zehnte zur Zeit des Gesetz Moses
Während des Zeitalters des Gesetzes waren die Israeliten durch die Verordnungen verpflichtet, insgesamt 23,33 % dem HERRN abzugeben. Diese setzen sich aus drei Zehnten zusammen:
- 10 % jedes Jahr für die Tempeldienste und Versorgungen der Leviten (4.Mos. 18,21-24)
- 10 % auf drei Jahre verteilt für hilfsbedürftige und arme Menschen (5.Mos. 14,28)
- 10 % jedes Jahr für die verordneten Festtage (5.Mos. 16,16)
Diese Bestimmung Gottes hatte als Grundlage einen tieferen Gedanken: Israel und sein Land gehören dem HERRN. Sie waren die Pächter und ER der Eigentümer des Landes. Den Zehnten zu geben, war die geforderte Pacht Gottes. Auf diese Weise sollten sie das Eigentumsrecht Gottes an dem Land sowie an ihnen selbst anerkennen.
Dieses Gebot war eine Art „Zuchtmeister“, um das Volk dahingehend zu erziehen, sich vor Gott zu fürchten (5.Mos. 14,22). Somit war die Abgabe des zehnten Teils all ihrer Güter auf der einen Seite ein Ausdruck ihres Gehorsam zu Gott. Auf der anderen Seite wurden sie dadurch zu Kanälen seines Segens. Durch sie konnte Gottes Gnade und Güte zu den Hilfsbedürftigen, Armen, Witwen und Leviten fließen. Dem HERRN zu geben war ein Glaubensbarometer. Geriet Israel geistlich ins Straucheln, hörten die Menschen auf, so viel zu geben, wie sie sollten.
Geben aus Gnade
Darüber wurden auch zur Zeit des Gesetzes freiwillige Gaben betont (2.Mos. 35,29). Diese waren freiwillige Leistungen über den Zehnten oder die Erstlinge hinaus. Sie machten wahres Spenden aus, da der Zehnte eine Schuld war, die an Gott zurückgezahlt wurde, und nicht an sich eine Gabe. Wir liegen falsch, wenn uns das Geben im Alten Testament als düstere, pflichtbewusste Gesetzlichkeit vorstellen. Ganz im Gegenteil, die Israeliten gerieten beim Geben richtig in Überschwang:
„Da kamen alle weisen Männer, die an allem Werk des Heiligtums arbeiteten, jeder von seiner Arbeit, die sie machten,und sie redeten mit Mose und sprachen: Das Volk bringt zu viel, mehr als zum Werk dieses Dienstes notwendig ist, das der HERR auszuführen geboten hat! Da gebot Mose, dass man durch das Lager ausrufen und sagen ließ: Niemand, es sei Mann oder Frau, soll mehr etwas anfertigen als freiwillige Gabe für das Heiligtum! So wurde dem Volk gewehrt zu bringen;denn das Angefertigte reichte aus für das ganze Werk, das zu machen war, und es war noch übrig.“ (2.Mos. 36,4-7)
Der Schwerpunkt liegt hier nicht auf der Menge des Opfers oder dem Anlass dafür, sondern auf der Herzensbereitschaft jeder Person. Es war kein verordnetes Geben, sondern ein freiwilliges. Der Zehnte war eindeutig und gegenständlich. Gott wünschte zwar, dass sein Volk ihm freudig gab, aber der Zehnte erforderte keine Herzensregung.
Doch mit dem freiwilligen Geben war es ganz anders. Dazu gehörte die Freude eines Herzen, das von Gottes Gnade angerührt war. Wir können unmöglich herausfinden, welchen Prozentsatz ihres Besitzes die Menschen durch freiwillige Gaben spendeten. Je nach Reichtum, den Gott gegeben hatte, könnten einige 30, 50, 70, 90 Prozent oder noch mehr gegeben haben. Wenn das schon für Gläubige im Alten Testament galt, über die der Geist Gottes von Zeit zu Zeit kam, wie viel eifriger sollten wir dann freiwillig geben? Wir, die wir durch Christi Gnade umgestaltet wurden, seinen Geist bleibend in uns haben und durch diesen mit Kraft angetan wurden. Gläubige im Alten Testament fingen beim Zehnten erst an und hörten damit keineswegs auf. Warum also sollten Christen heute geneigt sein, schon dort aufzuhören?
