Eingebettet zwischen der Aufzählung unterschiedlicher Geisteswirkungen (Kap. 12) und deren Funktionen (Kap. 14), liegt das herausragende Schriftstück „Das Hohelied der Liebe“ im dreizehnten Kapitel des ersten Korintherbriefes. Dem möchten wir uns in diesem Artikel widmen und in dieses tiefe und grundlegende Thema der Bibel eintauchen.
Das Hohelied der Liebe (= das Lied der Lieder oder das schönste Lied), welches wir auch im Alten Testament als ein Buch der Bibel finden, behandelt weitaus mehr als nur die eheliche Gemeinschaft in schöner und realistischer Weise. Im Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth wird jedoch deutlich, dass diese Liebe den Ursprung in der Beziehung Gottes zu dem Menschen hat.
Die Liebe in einem Menschen ist keine feste Größe, die sich mit wenigen Worten beschreiben lässt, sondern ein wachsender und erstrebenswerter Vorgang im Reifeprozess eines Christen. Dieser Prozess ist enorm wichtig in der Beziehung zu Gott. Im Folgenden möchte ich darauf den Augenmerk legen:
Ohne die Liebe ist alles nichts!
Die ersten drei Verse geben uns Aufschluss (im Kontext der Kapitel 12 & 14), dass die Gemeinde in Korinth die Geistesgaben besaß und auch einzusetzen wusste. Paulus benennt einige dieser Gaben und hebt unmissverständlich die Wichtigkeit der Liebe hervor. Der Apostel setzt die Liebe in den Zusammenhang mit den Gaben, die Gott dem Menschen verleiht. Einleitend in dem letzten Satz des zwölften Kapitels verspricht er, einen „noch weit vortrefflicheren Weg“ aufzuzeigen und führt diesen im 13. Kapitel in den ersten sieben Versen vollständig aus:
Ein Mensch, der in „höchsten Sprachen“ redet, ohne die Liebe seinem Mitmenschen gegenüber, gleicht einem tönenden Erz oder einer klingenden Schelle. Er wird zwar wahrgenommen, transportiert aber keine Botschaft, macht also viel Lärm um nichts. In Besitz zu sein von Weissagung, Erkenntnis aller Geheimnisse und allem Glauben ohne die Liebe, gleicht aller Nichtigkeit. Ja, selbst die komplette körperliche Hingabe hin bis zum eigenen Tod, ohne die Liebe, hat keinen Nutzen.
Die Bibel macht uns hier sehr deutlich, dass jede geistliche Gabe ihr eigentliches Ziel erst dann erreicht, wenn die Liebe wahrhaftig vorhanden ist. Es ist wirklich erstaunlich, dass Menschen, die in diesen Geistesgaben wirken, dennoch unter mangelnder Liebe leiden können. Geistliche Erfüllungen und sogar Geisteswirkungen (Vers 2) haben keinerlei Relevanz ohne die Liebe. Eine wichtige Erkenntnis für uns ist also, das eigene Herz genau zu prüfen. Unter welchen Motiven wirken wir für den Herrn? Möge Gott uns darin Gnade und Weisheit schenken.
Ab dem vierten Vers werden die Eigenschaften der Liebe in praktischer Form dargestellt:
Dort, wo die Liebe regiert, begegnet man sich in Geduld und Güte. Keine fordernden Parolen, keine falsche Erwartungshaltung. Geduld und Güte sind Teil der Frucht des Geistes (Gal. 5,22) und da es gegen solche Dinge kein Gesetz gibt, tragen diese zur Vollkommenheit der Liebe bei.
Die Liebe beneidet und prahlt nicht und bläht sich nicht auf, weil es ihr an nichts fehlt. Neid entsteht da, wo ein scheinbarer Mangel, und Prahlerei, wo scheinbarer Überfluss herrscht. Dieser Schein wird durch den Widersacher geweckt. In Sprüche 14,30 lesen wir, dass ein gütiges Herz des Leibes Leben ist und Neid dagegen Eiter in den Gebeinen.
Bekleidet mit dem höchsten Maß an Anstand, welches sich durch gutes und richtiges Verhalten auszeichnet, sucht die Liebe nicht das Ihre. Eigene Wünsche und Begierden werden in den Hintergrund gestellt. Das eigene Interesse ist ganz auf die Bedürfnisse des Nächsten fokussiert. Wahrhafte, hingebungsvolle Liebe hebt das Wohl des Anderen völlig selbstverständlich hervor.
Selbst wenn Böses zu Unrecht angetan wird, lässt sie sich nicht erbittern. So wie bereits in Jesaja über Jesus geschrieben steht: „Er wurde misshandelt, aber Er beugte sich und tat seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird“ (Jes. 53,7a). Voller Demut ging Jesus den Leidensweg, getrieben von der Liebe zu den Menschen und ist mit dieser Selbstlosigkeit das größte Vorbild für uns.
An der Ungerechtigkeit empfindet die Liebe keinerlei Freude, sondern nur an der Wahrheit. Wenn jemand zu Unrecht leidet, wie kann sich die Liebe dabei freuen, da sie für die reine Wahrheit einsteht und niemals davon abweicht?
Sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles. Jesu Kreuzestod ist die Krönung der praktischen Liebe uns Menschen gegenüber. Er ertrug und erduldete alles, obwohl Er zuvor seinen himmlischen Vater darum bat, dass dieser Kelch an ihm vorübergehen möge (Mt. 26,39). Selbst seine vielgeliebten Jünger standen Ihm in seinen schwersten Stunden nicht bei und schliefen im Gebet ein. Trotz aller Umständen ließ er vom Glauben an Gott nicht ab, sondern übergab alles dem, der ihm vom Tode retten konnte (Hebr. 5,7). Denn als die Stunde gekommen war, sprach Er entschlossen zu seinen Jüngern: „Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, der mich verrät, ist nahe!“ (Mt. 26,46) Und so können wir mit Johannes einstimmen: „Daran haben wir die Liebe erkannt, dass Er sein Leben für uns hingegeben hat.“ (1.Joh. 3,16a)
Liebe ist ein Prozess
Die Liebe sowohl zu seinen Mitmenschen als auch zu Gott vollumfänglich zu verstehen und zu praktizieren, wird uns wohl, solange wir im Fleisch leben, nicht gelingen (Röm. 7,18). Jedoch ist es wichtig, sich nicht darauf auszuruhen, sondern diesen stetigen Prozess mit der Kraft Gottes voranzutreiben. Denn nur darin wird jegliches Dienen in Verbindung mit der in uns wohnenden Liebe wirksam für das Reich Gottes. Jesus Christus lebte diese Liebe selbst vor und gab es auch als ein „neues Gebot“ den Jüngern und seinen Nachfolgern weiter (Joh. 13,34). Lasst uns daher mit völliger Hingabe in diesen Wachstumsprozess derLiebe begeben. Denn der in uns ein gutes Werk angefangen hat, wird es auch vollenden auf den Tag Jesu Christi (Phil. 1,6).