Im Rahmen der Weihnachtsaktion 2023, die von der Mission CDH Stephanus organisiert wurde, hatten wir die Möglichkeit, mit einem der verantwortlichen Bischöfe aus Moldawien zu sprechen. Viktor Kulak erzählte ausführlich seine bewegende Geschichte über den Dienst in der Region Sarata-Galbena. Die Kurzversion dieses Zeugnisses wurde erstmals im Jugendkompass abgedruckt:
Geboren wurde ich 1978 im Dorf Sarata-Galbena als ältestes Kind einer christlichen Familie. Von meiner Kindheit an spürte ich, dass Gott mich zu einem Dienst ruft, da ich schon früh mit der Thematik eines echten Christenleben konfrontiert wurde. In unserer Gemeinde gab es viele Jugendliche, die direkt nach der Jugendstunde die Diskothek aufsuchten. Dies zu beobachten, stimmte mich sehr traurig und oft weinte ich nach der Jugendstunde um diese Seelen. Mir wurde die Nachfolge ein ernstes Anliegen und so begann ich mit ungefähr 13 Jahren bei uns in der Gemeinde zu predigen.
Mit 15 Jahren bekam ich mit, dass viele ins Ausland fuhren, um dort ihr Geld zu verdienen. Da bei uns in Moldawien große Armut herrschte, war dies die einzige Möglichkeit, sich über Wasser zu halten. Einige fuhren nach Israel und auch ich wollte dorthin, da wir in unserer Familie eine große Not hatten. Einer meiner Brüder war schwer krank. Er litt unter schweren epileptischen Anfällen, was meinen Eltern sehr zu schaffen machte. Alles, was sie verdienten, wurde für die Behandlungen ausgegeben, sodass wir zuhause kein eigenes Auto, kein Wasser und keine Toilette hatten.
Herr, weise du mir den Weg!
Da ich der älteste Sohn der Familie bin, wollte ich meinen Eltern in dieser Situation helfen. Ein ganzes Jahr versuchte ich nach Israel zu fahren, um dort Geld zu verdienen. Immer wenn es kurz bevorstand, kam etwas dazwischen. Das wiederholte sich im Laufe des Jahres mehrmals. Irgendwann schlug mir der Pastor unserer Gemeinde vor, nach Moskau in die Bibelschule zu fahren. Da ich am Predigtdienst viel Freude hatte, sagte ich zu. Danach rief mein Onkel an und bot mir erneut die Möglichkeit, mit nach Israel zu fahren. Nun stand ich vor der Entscheidung. Da ich keinen Ansprechpartner für diese Frage hatte, wandte ich mich an den, der auf alles eine Antwort wusste. Ich blickte in den Himmel und sagte: „Gott hilf mir, mich zu entscheiden. Was ist dein Weg? Soll ich nach Moskau in die Bibelschule fahren oder nach Israel, um dort Geld zu verdienen?“ Eigentlich wollte ich unbedingt Geld verdienen und mir ein eigenes Leben aufbauen. Doch in meinem Herzen spürte ich so eine Leere, denn ich wusste, dass das Leben für Gott mehr beinhaltete. Innerlich spürte ich bei der Entscheidung, die Bibelschule zu besuchen, tiefen Frieden und lehnte deshalb das Angebot meines Onkels ab. So fuhr ich kurze Zeit später nach Moskau zum Einführungstest. Danach sagte man uns, wir sollten wieder nach Hause fahren und auf die Entscheidung zur Aufnahme, die uns per Brief mitgeteilt werden sollte, warten. Ich spielte mit dem Gedanken, die Brüder auf dem Weg nach Israel einzuholen, falls ich nicht bestehen sollte. Da ich den Brief nicht abwarten wollte, ging ich zum Büro der Bibelschule und fragte, wie es mit der Entscheidung aussähe. Man bestätigte mir: „Du hast zu 100% bestanden.“
Im Vertrauen auf Gottes Plan
Einige Monate später begann nun die Ausbildung an der Bibelschule, die insgesamt drei Jahre dauern sollte. Nach den ersten zwei Jahren bekam ich einen Anruf von meinen Eltern. Sie teilten mir am Telefon mit, dass es meinem Bruder immer schlechter ginge und dass sie mit der ganzen Familie nach Amerika ziehen wollen. Dort gäbe es bessere medizinische Hilfe für meinen Bruder. Anfangs war ich dagegen, da aufgrund der schwierigen finanziellen Lage unsere Gemeinde in Moldawien meine Ausbildung bezahlte. Mir war es äußerst unangenehm, auszuwandern, nachdem die Geschwister zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Jahre finanziert hatten. Im Hinterkopf blieb der Gedanke, irgendwann wieder nach Moldawien zurückzukehren. So verließ ich die Bibelschule und wanderte im Alter von 20 Jahren mit meiner Familie nach Amerika aus. Ich ging ins College, fing an zu arbeiten und in der Gemeinde diente ich in der Jugend. Anfangs besuchten in etwa 20 Jugendliche die Jugendstunden und auch der geistliche Zustand war fraglich. Doch Gott segnete uns reichlich. Wir arbeiteten stark an dem Aufbau und Gott sandte immer mehr Jugendliche in die Gemeinde, sodass wir auf 120 Jugendliche anwuchsen.
Gehorsam bringt Segen
Mir gefiel das Leben in Amerika. Ich hatte Arbeit, genug Geld und kaufte mir ein Auto. Aber in meinem Herzen wurde die Stimme Gottes immer lauter: „Du musst wieder zurück nach Moldawien!“ Das Drängen war so stark, dass ich beschloss, mit dem Pastor der Gemeinde zu sprechen. Er versuchte mich umzustimmen und versuchte, mir die Vorzüge meines derzeitigen Lebens klar zu machen. Doch ich teilte ihm mit, dass ich spürte, dass Gott mich zu einem Dienst in Moldawien beruft. Am nächsten Tag ging ich wie gewohnt auf die Arbeit, wo mir mein Vorgesetzter mitteilte, dass er mich befördern möchte. Mein Gehalt würde sich mehr als verdoppeln. Der Kampf in mir begann erneut. Ich hatte mein Ticket bereits in der Tasche und hinterfragte meine Entscheidung. Hatte ich zu voreilig gehandelt? War das eine Prüfung, eine Versuchung? Ich sprach mit meinen Eltern darüber und sie ermutigten mich unter Tränen, auf Gottes Ruf zu hören. Wir weinten und beteten viel gemeinsam und so kehrte ich wieder nach Moldawien zurück.
Es gab zu der Zeit in Moldawien nur vier Stunden am Tag Strom. Alles war sehr heruntergekommen und von Armut geprägt. Auch Geschwister in der Gemeinde machten mir viele Vorwürfe, weshalb ich in das arme Land zurückkehrte und nicht das Luxusleben in Amerika genoss. Doch ich spürte in meinem Herzen, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Ich begann mit der Jungschar zu arbeiten und nach einem Jahr wurde ich zum Diakon eingesegnet.
Wie alles begann…
Im Jahr 2001 heiratete ich und 2004, mit 26 Jahren, wurde ich zum Pastor eingesegnet und war damit der Jüngste im Brüderrat. Im selben Jahr begann auch der Dienst, von dem ich nicht ahnte, wie gewaltig Gott es ausweiten würde: Aus der Versorgung von älteren, armen Geschwistern mit Lebensmitteln wurde aus der Not heraus das erste Altersheim, in dem acht Menschen untergebracht waren. 2006 gab es in Moldawien -30 Grad und wir sahen viele ältere Menschen in einem sehr schlimmen Zustand, teilweise komplett eingefroren. Als ich dann noch sah, wie sie versuchten, sich mit erhitztem Wasser in Plastikflaschen aufzuwärmen, zerriss mein Herz bei diesem Anblick. So betete ich für diese Not zu Gott. Direkt nach dem Gebet wurde ich von einem Bekannten angerufen. Er sagte mir, er habe Besuch und sie wollten sich anschauen, wie die Menschen in Moldawien lebten. Ich zeigte ihnen das Altersheim und auch die Lebensumstände, in denen sie vorher aufzufinden waren. Tief bewegt von der Armut dieser älteren Geschwister, boten sie mir an, die Bezahlung für ein weiteres Altersheim zu übernehmen. So konnten weitere acht Personen ein Zuhause finden.
Gott sorgt für seine Kinder
Während der Finanzkrise 2008 entschieden wir uns dazu, ein weiteres Altersheim zu bauen. Auch wenn ich viele Gegenstimmen für das „vergessene Dorf in Moldawien“ erhielt, entgegnete ich nur, dass Gott dieses Projekt leiten wird. Wir mussten die 16 Senioren ernähren und gleichzeitig auch die Baustelle fortführen, während uns das Geld ausging. Nach dem Gottesdienst kam ein älterer Bruder zu mir, der mich wegen der Krise und dem derzeitigen Baustopp als eine Schande für die Gemeinde bezeichnete. Das motivierte mich jedoch nur noch mehr, den Stillstand zu bekämpfen und immer wieder brachte Gott durch kleine Schritte das Werk voran.
Eines Tages war ich auf der Missionskonferenz von Stephanus. Bruder Alex Buchmüller aus Cloppenburg und weitere Brüder hörten sich mein Anliegen an. Bruder Alex teilte mir kurz darauf mit, dass ich eine Spende von 10.000 € erhalten würde und sie uns vor Ort auf der Baustelle helfen würden. Schließlich konnten wir 2011 mit Gottes Hilfe das Projekt beenden und 50 weiteren Obdachlose ohne Rente und Pass in das neue Heim einziehen lassen. Wegen der anhaltenden Geldknappheit standen wir ohne Unterlass im Gebet und Gott vollbrachte das nächste Wunder: Uns schrieb die Mission von David Wilkerson an und erkundigte sich nach unserem Dienst. Daraufhin übernahmen sie einen großen Teil der monatlichen Kosten.
Gottes Werk hat keine Grenzen
Es verging etwas Zeit, da wurde ich von der Regierung angerufen. Die Leiterin eines Heimes für behinderte Kinder bat mich, einen Jungen im Rollstuhl aufzunehmen. Ich lehnte zuerst ab, doch die Geschichte des Jungen berührte mich so sehr, dass wir ihn direkt abholten. Verkauft, verstoßen und misshandelt wurde Valerij dort aufgenommen und musste nach einer kurzen Zeit das Kinderheim aufgrund seiner Volljährigkeit verlassen. Die Direktorin bat mich, noch ein Mädchen mitzunehmen. Auch nachdem ich das weinende Gesicht des Mädchens sah, blieb ich stur und verneinte. Ich weinte viel, weil ich die tränenden Augen des kranken Mädchens nicht vergessen konnte. Nachdem ich einige Tage sogar von ihr träumte und mehrere Geschwister mich ermutigten, willigte ich schließlich ein. Zusätzlich nahmen wir noch einen weiteren Jungen auf und so hatten wir ein gemischtes Heim aus Kindern mit Behinderungen und älteren Menschen.
Einige Zeit später kam eine Lehrerin zu mir und erzählte von ihren hungrigen Kindern in der Schule. So begannen wir, den Kindern nach der Schule eine warme Mahlzeit zu bereiten. Zusätzlich führte die Lehrerin jeden Tag noch eine Kinderstunde für die einsamen 80 Kinder durch. Da die Kinder aus schlimmen Verhältnissen stammten, teilweise Waisen waren und entsprechende Verhaltensweisen an den Tag legten, war die Arbeit mit ihnen sehr schwer für uns. Um langfristig in ihren Herzen wirken zu können, beschlossen wir mit dem Brüderrat, ein Kinderzentrum zu bauen. Dafür fehlten uns jedoch die Dokumente. Doch auch hier war Gottes Arm nicht zu kurz, um zu helfen. Nachdem ich dem Beamten ehrlich um Hilfe bat, war dieser ohne zu zögern bereit, uns die notwendigen Papiere und Genehmigungen auszustellen. Weiterhin wurden im Laufe der Zeit eine Bäckerei und ein Brüderzentrum erbaut. Zudem kauften wir eine Schule.
Ein Gott der Wunder
Wenn man über jedes einzelne Projekt ein Buch schreiben würde, dann wüsste ich nicht, wie viele Bücher es insgesamt am Ende wären. In vielen Projekten erlebten wir Wunder und in jedem Dienst, den wir vollbringen, spüren wir Gottes unfassbare Allmacht. Ich kann es kaum glauben, dass wir im Dezember 2024 das 20-jährige Jubiläum unseres Altersheims feiern dürfen. Wir haben sehr viel gebetet und gefastet und da ich schon relativ am Anfang von vielen Menschen und vermeintlichen Spendern enttäuscht wurde, legte ich mein Vertrauen immer mehr auf Gott. Nicht nur einmal betete ich zu Gott und fragte, ob es eine Mission oder einen reichen Mann gibt, der uns bei unserer Sache unterstützen kann. Als Antwort bekam ich: „Wenn ihr alles haben werdet, was ihr braucht, werdet ihr nicht mehr von mir abhängig sein.“
Viktor Kulak